Kein Anschluß an die Leitung
Durst in Faqua trotz Wasserreichtums
Von Mel Frykberg (IPS), Westjordanland *
Es könnte schön sein in Faqua, einem Dorf im nördlichen Westjordanland
nahe an der Grenze zu Syrien und dem Libanon. Die Ortschaft bietet einen
Panoramablick auf den Jordan und liegt über reichen Grundwasservorräten,
die ihm seinerzeit den Namen gaben. Faqua heißt sprudelndes Quellwasser.
Aber dort sprudelt kein Wasser, und die schöne Aussicht ist durch die
israelische Grenzanlage versperrt.
Faquas Probleme begannen bereits mit der Gründung des Staates Israel
nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals enteignete Tel Aviv zwei Drittel des
zu Faqua gehörenden Landes und okkupierte die meisten seiner Quellen.
Faqua leidet darunter, zu den Gebieten im Westjordanland zu zählen, die
unter alleiniger israelischer Kontrolle stehen. Seit Jahren verhindert
Tel Aviv einen Anschluß an das Leitungsnetz des israelischen Versorgers
»Mekorot«.
Für Faqua und zehn weitere Dörfer in seiner Umgebung bedeutet das den
Wassernotstand. Die Versorgung läuft zur Zeit sehr dürftig über
Tankwagen, die teures Wasser von höchst fragwürdiger Qualität liefern.
»Bei uns leiden viele Kinder an Durchfallerkrankungen. Wir fürchten, daß
dies mit verkeimtem Wasser aus den Tankwagen zusammenhängt. Aber wir
haben keine andere Wahl, als dieses Wasser zu trinken«, erklärte Amer
Abu Farha, der Chef des Dorfrates von Faqua. Wie er berichtet, warten
die 5000 Menschen in Faqua seit der Jahrtausendwende auf die israelische
Genehmigung zum Ausbau des Wassersystems. »Wir bekommen kein grünes
Licht, außerdem dürfen wir keine tiefen Brunnen bohren und die schon
existierenden Anlagen nicht reparieren.«
Ganz anders ist die Lage jenseits der Sperranlage. Dort liegt der Kibbuz
Maale Gilboa, wo etwa 400 Israelis leben. In nur 500 Meter Entfernung
von Faqua gibt es fließendes Wasser. Und es grünt und blüht in den
Gärten und auf den Plantagen, die rund um die Uhr bewässert werden. In
und um Faqua aber sind die Hälfte der Anwohner arbeitslos. Viele haben
mit dem Bau der Sperranlage ihren Job in Israel verloren. Außerdem ist
der Viehbestand wegen der Wasserknappheit und der israelischen Landnahme
von 7000 auf 2000 Tiere zurückgegangen.
Nach einem Weltbankbericht vom April können israelische Staatsbürger pro
Kopf im Schnitt viermal soviel Wasser verbrauchen wie Palästinenser. Nur
ein Fünftel des Grundwassers im Westjordanland steht Palästinensern zur
Verfügung. Für Farha sind die israelischen Absichten hinter dieser
Politik der Austrocknung nicht schwer zu erraten: Faqua und Umgebung
liegen in einer strategisch wichtigen Zone und sollen möglichst schnell
palästinenserfrei sein.
Auch in anderen Gebieten des Westjordanlandes herrscht Wassernot. Nach
Angaben der palästinensischen Wasserbehörde PWA sind weniger als 1,8
Millionen der 2,4 Millionen Menschen in dem Palästinensergebiet an das
Wassernetz angeschlossen. Israel hat die PWA in eine Zwickmühle
getrieben. »Sie sagen uns, daß wir erst dann mehr Wasser bekommen, wenn
die Infrastruktur modernisiert ist, verweigern uns aber die Genehmigung
zur Modernisierung«, kritisiert Ihab Barghouti von der PWA.
Die israelische Menschenrechtsorganisation B'Tselem bestätigt, daß einem
israelischen Staatsbürger pro Kopf im Schnitt 280 Liter Wasser am Tag
zur Verfügung stehen, einem Palästinenser aber nur 60 Liter. Die
Menschen in Faqua müssen mit noch weniger auskommen. Mehr als 30 Liter
am Tag gibt es nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält 100
Liter pro Kopf und Tag für das absolute Minimum.
* Aus: junge Welt, 19. August 2009
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