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Abbas schockt Israel mit der NATO

Kerry stimmt Palästinensern zu / Netanjahu: Ich vertraue nur meiner eigenen Armee

Von Oliver Eberhardt *

In den Nahostverhandlungen ist Palästinas Präsident Abbas auf die andere Seite zugegangen: Er will NATO-Truppen im künftigen Staat akzeptieren. Doch Israels Regierungschef Netanjahu mauert.

Das Medium war sorgfältig ausgewählt, die Nachricht deutlich formuliert. »Wir wollen, dass jeder weiß, dass wir das Sicherheitsargument Israels verstehen und bereit sind, darauf einzugehen«, fasst ein Berater des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zusammen, was sein Chef im Gespräch mit der ehrwürdigen »New York Times« wortreicher erklärte. Man könne den Abzug des israelischen Militärs auf fünf Jahre strecken, sagte er, aber danach müsse Palästina frei von israelischen Soldaten sein.

Stattdessen, wiederholte er seinen bereits vor einiger Zeit am Rande formulierten Vorschlag, sei seine Führung damit einverstanden, dass Truppen der NATO in seinem Staat stationiert werden: »Die dritte Partei kann auf Dauer bleiben, um Israel zu beruhigen und uns zu schützen.« Das wahre Leckerli für Israels Verhandler folgte: Nicht nur an der Ostgrenze zu Jordanien, auch an der Westgrenze zu Israel könnten sich diese ausländischen Soldaten frei bewegen.

Denn genau sie ist es, die Israels Sicherheitsapparat die Hauptsorgen bereitet. Die Befürchtung ist, dass militante Gruppierungen, palästinensisch oder ausländisch, sich auf den Anhöhen, die die Grenze des palästinensischen Staates bilden würden, positionieren und von dort aus Tel Aviv und den internationalen Flughafen unter Raketenbeschuss nehmen könnten.

Es sei ein »interessanter Vorschlag«, über den man ernsthaft reden könnte, antwortete Israels Generalstabschef Benny Ganz. Doch Regierungschef Benjamin Netanjahu ließ kurz darauf durchblicken, dass er über solche Vorschläge nicht reden mag. »Ich vertraue nur meiner eigenen Armee«, wiederholte er das, was er in solchen Fällen immer sagt. »Wir haben gesehen, was auf den Golanhöhen passiert, wenn es ernst wird«, sagt ein Sprecher. »Wenn es den ausländischen Regierungen zu heiß wird, dann ziehen sie ihre Truppen ab und wir stehen da und müssen mit der Situation fertig werden.«

Doch in Washington gibt es Zustimmung zum Abbas-Vorschlag: »Wir müssen einen Weg finden, die Sache zum Laufen zu bringen, und das ist ein gangbarer Weg«, so ein in Tel Aviv stationierter Diplomat. »Es ist uns allen hier klar, dass die Palästinenser keinesfalls eine dauerhafte israelische Truppenpräsenz akzeptieren werden.«

Denn falls es auch nur annähernd so kommen sollte, wie es der US-amerikanische Sondergesandte Martin Indyk vor einigen Tagen durchblicken ließ, dann werden die Palästinenser einige schmerzhafte Zugeständnisse verkraften müssen. Nach Aussage Indyks ist im Entwurf für das Rahmenabkommen, das US-Außenminister John Kerry demnächst präsentiere will, vorgesehen, dass »zwischen 75 und 85 Prozent« der Siedler bleiben können. Ihre Siedlungen bilden Ballungszentren und sollen Teil Israels werden. Im Gegenzug gestehe der Entwurf den Palästinensern Gebiete im Norden und Süden des Westjordanlandes zu, die aktuell Teil Israels sind. Palästinensische Flüchtlinge sollen entschädigt oder in den an die Palästinenser zu übergebenden Wüstengebieten angesiedelt werden. Das Jordantal, in den vergangenen Wochen Hauptthema in der Öffentlichkeit, soll durch komplizierte Technik gesichert werden; ein Verbleib der Siedlungen dort scheint nicht vorgesehen zu sein.

Israels Regierung gab sich auch hier zurückhaltend und rief damit Kerry auf den Plan: Sollte Israel sich nicht zu einem Abkommen bereit finden, könnte dies zu internationaler Isolation und Boykott führen, sagte er am Wochenende.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 5. Februar 2014


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