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"Schmerzhafte Reise in die Vergangenheit"

Bremen: Aufregung um "Nakba"-Ausstellung zur Verteibung der Palästinenser 1948

Von Sönke Hundt *

Die Ausstellung mit dem Titel »Nakba – die Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948«, die vom 18. Februar bis zum 17. März in der Zentralbibliothek in Bremen gezeigt wird, hat in der Hansestadt zu heftigen Auseinandersetzungen – vor allem hinter den Kulissen – geführt. Am Dienstag, während der öffentlichen Sitzung der Kulturdeputation der Bremischen Bürgerschaft, erklärte Bürgermeister Jens Böhrnsen auf Anfrage des Vertreters der CDU, dass mit juristischen Mitteln die Ausstellung wohl nicht mehr verhindert werden könne. Versuche in diese Richtung hatte es mehrere gegeben, vor allem von seiten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) und der Jüdischen Gemeinde. Auch eine Gruppierung aus dem sogenannten antideutschen Spektrum (sie nennt sich »C3«, ihre Mitglieder bleiben anonym) meldete sich im Internet zu Wort und forderte, »den renitenten Bremer Antisemiten (...) kein öffentliches Forum zu geben«.

»Hinten herum wurde versucht, die Ausstellung zu verhindern«, bestätigt auch Detlef Griesche, Vorsitzender der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, gegenüber junge Welt. Da das nicht funktionierte, gelte jetzt die neue Devise »totschweigen«. Nur in der taz erschien bisher ein Beitrag – unter dem Stichwort »Antisemitismus«. Am Mittwoch habe es dann eine Pressekonferenz gegeben, zu der kein Medienvertreter erschienen sei, so Griesche. Veranstalter der Ausstellung (unter anderem das Bremer Nahost-Forum, Friedensforum, AK Nahost, Deutsch-Palästinensische Gesellschaft, Israelisches Komitee gegen Hauszerstörungen) wollten der Kritik, dass die Ausstellung einseitig wäre, frühzeitig den Wind aus den Segeln nehmen. So ist die DIG eingeladen, auf zwei Schautafeln im Ausstellungsraum ihre Sicht auf die Ereignisse der »Nakba« darzulegen und für die große Podiumsdiskussion – unter Leitung des Radio Bremen-Moderators Theo Schlüter – am 4. März im Wallsaal der Zentralbibliothek zwei eigene Vertreter zu benennen.

Eröffnet wird die Ausstellung am 18. Februar von der palästinensischen Botschafterin Dr. Khouloud Daibes (Berlin) und Rolf Verleger (Lübeck). Der Präsident der Bürgerschaft, Christian Weber, wurde angefragt, ob er die Botschafterin begrüßen möchte. »Er entgegnete, er habe keine Zeit«, so Griesche. Für die vielen Begleitveranstaltungen konnten jedoch renommierte Referenten (unter anderem der Historiker Ilan Pappe und Jeff Halper vom Israelischen Komitee gegen Hauszerstörungen) gewonnen werden. Im »Kino 46« läuft ein vielfältiges Filmprogramm, und im Sendesaal Bremen wird es ein Solidaritätskonzert »Weltmusik für den Frieden« mit dem Jugendsinfonieorchester Bremen-Nord unter Martin Lenz mit vielen internationalen Gästen geben.

Die Wanderausstellung über die »Nakba« führt nicht nur in Bremen zu Diskussionen. Ähnliches passierte, teilweise begleitet von regelrechten Verboten, in Hannover, Tübingen, Siegen, Freiburg, Düsseldorf, Stuttgart, München, Heidelberg, Braunschweig, Köln, Nürtingen, Nürnberg, Hamburg, Überlingen und zuletzt in Lübeck. Der Exposition hat das nicht geschadet, sondern ihrem Renommee eher genützt. Im vorigen Jahr konnte sie im EU-Parlament in Strasbourg und im Palast der Vereinten Nationen in Genf gezeigt werden. Die Ausstellung, die vom Verein »Flüchtlingskinder im Libanon« konzipiert wurde, existiert inzwischen auch in einer englischen und einer französischen Version. Reichhaltiges historisches Material in Form von Fotos, Karten, Texten und einigen Gegenständen illustriert die Ereignisse, die schließlich zur Vertreibung von 700.000 Palästinensern und der Zerstörung von mehr als 700 Dörfern geführt haben. Die »Nakba« – auf arabisch die Katastrophe – ist in der israelischen Gesellschaft und in Europa lange Zeit verdrängt worden. Ein Zitat des jüdischen Historikers Ilan Pappe, der Anfang März Bremen besuchen wird, bildet das Motto der Ausstellung in Bremen: »Eine derart schmerzhafte Reise in die Vergangenheit ist der einzige Weg nach vorn, wenn wir eine bessere Zukunft für uns alle, Palästinenser wie Israelis, schaffen wollen.«

* Aus: junge Welt, Freitag, 13. Februar 2015


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