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PLO: Das Maß ist voll

Palästinenser beschließen Aussetzung der Sicherheitskoordination mit Israel. Antrag im UN-Sicherheitsrat angekündigt

Von Karin Leukefeld *

Der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) hat am Donnerstag die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Israel ausgesetzt. In dem wohl wichtigsten Beschluss eines zweitägigen Treffens in Ramallah (Westjordanland) fordert der PLO-Rat die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) auf, »angesichts der systematischen und fortgesetzten Weigerung Israels seine gemäß dem Völkerrecht eingegangenen Verpflichtungen (als Besatzungsmacht gegenüber den Palästinensern - jW) einzuhalten, alle Formen der Sicherheitskoordination auszusetzen«. Ausdrücklich bezieht die PLO sich dabei auch auf die wiederholten Entscheidungen Israels, als Strafmaßnahme die Steuergelder einzufrieren, die Israel als Besatzungsmacht für die Palästinenser einsammelt. Zuletzt hatte Israel im Januar 127 Millionen US-Dollar nicht an die PA überwiesen. Damit sollten die Palästinenser dafür bestraft werden, dass sie die Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof beantragt hatten, um Kriegsverbrechen Israels juristisch verfolgen zu lassen.

Reaktionen der Autonomiebehörde lagen bis Redaktionsschluss nicht vor. Allerdings ist die finanzielle Unterstützung, die die PA von Europa und den USA erhält, von der Zusammenarbeit mit Israel abhängig. Sollte die PA die Zusammenarbeit tatsächlich, wie von der PLO gefordert, aufkündigen, dürften Washington und Brüssel den Geldhahn zudrehen.

Mustafa Barghuti, Mitglied im PLO-Zentralrat, betonte, dass die Entscheidungen für die PA verbindlich seien. »Die PLO hat die Behörde ins Leben gerufen und die PLO hat auch die Osloer Verträge unterzeichnet«, sagte Barghuti laut AFP. Die Entscheidung dokumentiere »das Ende der Periode von Oslo, die Israel längst zerstört« habe.

Weitere Beschlüsse des obersten politischen Gremiums der Palästinenser fordern, dass künftig »alle israelischen Produkte boykottiert werden« sollen, »nicht nur die Lebensmittel, die aus den Siedlungen kommen«. »Versuche, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen«, werden zurückgewiesen, Fatah und Hamas werden aufgefordert, ihren Versöhnungsprozess zu forcieren, um den Wiederaufbau des von Israel im letzten Sommer zerstörten Gazastreifens voranzutreiben. »So bald wie möglich« sollen zudem die wiederholt verschobenen Wahlen für das Parlament und Präsidentschaftswahlen stattfinden.

In Absprache mit der Arabischen Liga will die PLO außerdem einen Antrag beim UN-Sicherheitsrat einbringen, der Israel ultimativ zum Abzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten auffordert und die Rechte der Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre Heimat bestärken soll, wie es die UN-Resolution 194 festlegt.

Der neue UN-Sonderberichterstatter für die Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten, Makarim Wibisono, hat derweil Israel aufgefordert, endlich die Umstände aufzuklären, die zum Tod von Hunderten Zivilisten während des Gaza-Krieges im Sommer 2014 geführt hatten. Der Indonesier hatte im April 2014 Richard Falk abgelöst, der während seiner Amtszeit mit Israel scharf ins Gericht gegangen war. In einem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat in Genf legt Wibisono dar, dass von den 2.256 Palästinensern, die während des Krieges im Juli und August 2014 getötet wurden, 1.563 Zivilisten waren, darunter 538 Kinder. Auf israelischer Seite waren 66 Personen ums Leben gekommen, fünf davon Zivilisten. »Der große Unterschied (…) weist auf ein Ungleichgewicht (...) hin, was dazu geführt hat, dass die palästinensische Zivilbevölkerung ein Übermaß« an Opfern zu tragen hatte, so Wibisono. Das wiederum führe zu der Frage, »ob Israel sich an die Prinzipien des Völkerrechts gehalten hat«. Die meisten der getöteten Zivilisten seien »durch Raketenangriffe in ihren eigenen Wohnungen, meist bei Nacht, getötet« worden, so Wibisono weiter. Es habe sich nicht um »Zuschauer am Straßenrand« gehandelt, »die zur falschen Zeit am falschen Ort« gewesen seien. Wie seinem Vorgänger Falk hatte Israel auch Wibisono die Einreise in den Gazastreifen verweigert. Der UN-Sonderermittler hatte daher mit Augenzeugen und Opfern des Krieges in Amman und Kairo gesprochen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 7. März 2015


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