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Keine Frist für Gespräche

Propalästinensische UN-Resolution ohne Mehrheit / Netanjahu wiedergewählt *

Israel hat die nicht ausreichende Mehrheit für eine Resolution im UN-Sicherheitsrat zur Beendigung der israelischen Besatzung in den Palästinensergebieten begrüßt. Nur direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen könnten zu einem Kompromiss führen, sagte Israels Vizeaußenminister Zachi Hanegbi. Allerdings verweigert Israel offizielle Verhandlungen, solange die Hamas-Bewegung Mitglied der palästinensischen Autonomieregierung sei.

Acht Staaten hatten am Dienstag in New York für die Resolution der Palästinenser gestimmt, die Israel eine Frist von zwölf Monaten zur Aushandlung eines dauerhaften Friedensabkommens mit den Palästinensern setzen sollte. Unter den Befürwortern waren die drei Vetomächte China, Frankreich und Russland. Die Vetomacht USA und Australien stimmten dagegen. Fünf Mitglieder, darunter Großbritannien, enthielten sich. Der Entwurf hätte der Zustimmung von mindestens neun Mitgliedern bedurft.

Nach der Nichtannahme der UN-Resolution hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof beantragt. Die Palästinenserführung erhofft sich von dem Schritt Ermittlungen gegen Israelis wegen von diesen in den besetzten Gebieten verübten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Israel und die USA lehnen den Vorstoß daher strikt ab.

Israels Premier Benjamin Netanjahu war zuvor am Mittwoch wieder zum Vorsitzenden der Likud-Partei gewählt worden. 75 Prozent der Wahlberechtigten hätten dem 65-Jährigen ihre Stimme gegeben, hieß es am Donnerstag. Am selben Tag erlaubte der Oberste Gerichtshof Israels die Zerstörung der Häuser oder Wohnungen in Ost-Jerusalem von Familien palästinensischer Attentäter.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 2. Januar 2015


Likud setzt ein weiteres Mal auf Netanjahu

Israels Premier ist nach parteiinterner Abstimmung trotz interner Kritik Spitzenkandidat für Wahl im März

Von Oliver Eberhardt **

Israels Regierungschef Netanjahu bleibt Spitzenkandidat des Likud-Blocks. Bei der parteiinternen Vorwahl stimmten 75 Prozent der Wähler für ihn. Auch sonst bleibt auf der Liste fast alles beim alten.

Aufatmen. »Ich bin froh, dass dieser Schritt nun gegangen ist«, sagt Juli Edelstein, Parlamentssprecher und Abgeordneter des Likud-Blocks. Und Entsetzen: »Ich hatte erwartet, dass der Likud nun endlich zu seinen Werten zurückkehrt«, sagt Gideon Sa'ar, der vor einigen Monaten seinen Sitz in der Knesset aufgab, offiziell aus privaten Gründen.

Doch er selbst macht auch wenig Hehl daraus, dass ihm der Kurs seiner Partei nicht mehr gefällt – wie vielen anderen auch: Fast 10 000 Mitglieder hat der Likud seit den letzten Wahlen verloren; von jenen, die geblieben sind, nahmen gerade einmal gut 55 Prozent an der parteiinternen Vorwahl teil – und stimmten für eine Wahlliste, die mit der vorangegangenen nahezu identisch ist. Die einzige Neuerung ist: Der Hardliner Mosche Feiglin wird nach den vorgezogenen Wahlen im März wahrscheinlich nicht mehr im Parlament vertreten sein. Er hatte im Laufe der vergangenen Monate immer wieder sehr öffentlichkeitswirksam versucht, auf dem Tempelberg, Standort der Al Aksa-Moschee, zu beten, um damit den israelischen Herrschaftsanspruch über die heilige Stätte zu demonstrieren.

Dass das alles so kam, liegt an einem parteiinternen Machtkampf, der sich über fast einen Monat hingezogen hatte: Nachdem die Koalition im Dezember zerbrochen war, hatten Netanjahus Gegner versucht, Gideon Sa'ar, der in der Öffentlichkeit sehr beliebt ist, dazu zu bewegen, für Parteivorsitz und Spitzenkandidatur anzutreten. Netanjahus Team ließ darauf den Termin für die Vorwahl um eine Woche vorziehen, um Sa'ar möglichst wenig Zeit zur Vorbereitung zu geben. Sa'ar gab daraufhin entnervt auf: »Ich will mich auf Themen konzentrieren und keine Parteikriege führen.«

Und Themen gibt es viele. Mittlerweile leben 31,6 Prozent der Israelis unter der Armutsgrenze, während die Lebenshaltungskosten seit den letzten Wahlen weiter gestiegen sind. »Der Likud bietet den Wählern nun die gleichen Leute an, die das mit verursacht haben«, kommentierte das Armeeradio am Donnerstag.

Im arabischen Ostteil Jerusalems und im Westjordanland kommt es derweil immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften, während die palästinensische Regierung nun den Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof vorbereitet. Regierungschef Benjamin Netanjahu reagierte darauf, indem er am Mittwoch versuchte, sich dafür feiern zu lassen, dass der UNO-Sicherheitsrat die Resolution der Palästinenser abgelehnt hat. »Als hätte das Papier jemals eine Chance gehabt«, resümierte die Zeitung »Jedioth Ahronoth« knapp und stellte die Frage, wie Netanjahu weitermachen wolle: »Man kann nicht auf ewig Verhandlungen fordern und sich Ergebnissen verweigern.«

Auch im linken Lager griff man die Wahlliste des Likud scharf an und verwies dabei auf Armut und Lebenshaltungskosten. Gleichzeitig gab man ausgerechnet am Wahltag bekannt, dass der Wirtschaftsexperte Prof. Emmanuel Trachtenberg für das Wahlbündnis aus Arbeiterpartei und der im Zentrum verorteten HaTnuah antritt. Trachtenberg hatte nach den Sozialprotesten im Sommer 2012 eine Kommission angeführt, die einen Maßnahmenkatalog ausarbeiten sollte; umgesetzt wurde davon kaum etwas. »Ich hatte damals gesagt, dass ich es selber machen werde, wenn es die Politik nicht tut«, sagte Trachtenberg am Mittwoch. »Nun löse ich das Versprechen ein.«

Aber auch im rechten Lager gibt es scharfe Kritik am Mitgliederentscheid des Likud: »Das sind die Leute, die bei der Räumung des Gaza-Streifen 2005 mitgemacht haben«, sagte Außenminister Avigdor Lieberman, dessen Partei Jisrael Beitenu bis zum Sommer noch ein Bündnis mit Likud bildete. Für Netanjahu bedeutet dies: Selbst wenn Likud die größte Fraktion Parlament bildet und damit den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen sollte: Er hat damit noch keine Koalition.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 2. Januar 2015


Unbehagen über Netanjahu

Roland Etzel zur Nahostresolution im UN-Sicherheitsrat ***

Der Weg ins neue Jahr ist im Nahen Osten erneut mit schlechten Nachrichten gepflastert. Eine arabische Resolution für einen Abzug Israels binnen eines Jahres aus den seit nunmehr 47 Jahren besetzten Gebieten fand keine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat. Der Beifall darüber war durchaus verhalten, außer beim israelischen Ministerpräsidenten. Doch gerade das Triumphgeheul Netanjahus zeigt, dass mit Politikern seines Schlages wohl kein in Richtung Frieden zielender Schritt zu erwarten ist.

Das sieht man auch im israelfreundlichen Westeuropa mit sichtlichem Unbehagen. Angesichts des bereits lange vorher angekündigten Vetos der USA war das knappe Stimmenverhältnis gegen die Resolution unerheblich. Es zeigte aber, wie sehr man es auch in London und noch mehr Paris leid ist, den Starrsinn von Netanjahu und dessen erzreaktionären Sozius Lieberman diplomatisch zu stützen.

Wie man liest, erfreut sich der alte und neue Likud-Chef und damit Ministerpräsidentenkandidat Netanjahu auch zu Hause aus rein innenpolitischen Gründen bei mindestens der Hälfte der Wähler ebenso herzlicher Abneigung. Zum wiederholten Male ließ die EU-Außenbeauftragte jetzt – UN-Abstimmung hin oder her – durchblicken, dass die Geduld der Europäer mit den Obstruktionsprotagonisten in Jerusalem nicht unendlich sei. Anders als Deutschland sind immer weniger Staaten bereit, Israel-Freundlichkeit mit einem Persilschein für Netanjahu gleichzusetzen.

*** Aus: neues deutschland, Freitag, 2. Januar 2015 (Standpunkt)


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