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Der lange Schatten des Vorgängers

Panamas neuer Präsident Varela tritt sein Amt an

Von Andreas Knobloch *

Nach seiner feierlichen Amtseinführung am Dienstag muss Panamas Präsident Juan Carlos Varela zunächst die Brocken wegräumen, die ihm sein Vorgänger zuletzt noch in den Weg gelegt hat.

Er werde bis zum letzten Tag seiner Amtszeit »regieren«, hatte der scheidende Präsident gedroht – und seinen Worten Taten folgen lassen. Beinahe jeden Tag zog Ricardo Martinelli ein As aus dem Ärmel, um der neuen Regierung den Start so schwer wie möglich zu machen. So erließ er Ende vergangener Woche eine Verordnung, wonach scheidenden Mitarbeitern der Ministerien und staatlichen Institutionen Abfindungen zustehen. Dies würde es Varela erschweren, Entlassungen durchzusetzen und eigene Vertrauensleute zu installieren. Über die Rechtmäßigkeit des Dekrets bestehen allerdings Zweifel. Es macht aber deutlich, mit welchen Bandagen Martinelli seinen ehemaligen Weggefährten und nunmehr ärgsten Rivalen bekämpft.

Nach der Wahl 2009 war Varela noch selbst Teil der Regierung gewesen, als Außenminister und Vizepräsident unter Martinelli, ehe er sich mit ihm überwarf. Bei den Wahlen Anfang Mai konnte sich Varela, der für die rechtskonservative Allianz El Pueblo Primero (Das Volk zuerst) antrat, überraschend gegen den Kandidaten des Regierungslagers, José Domingo Arias von der Partei Demokratischer Wandel (CD), durchsetzen. Den Wohnungsbauminister hatte Martinelli, weil er laut Verfassung nicht erneut antreten durfte, zum Präsidentschaftskandidaten aufgebaut und ihm seine Gattin Marta Linares als designierte Vizepräsidentin an die Seite gestellt. Doch Panamas Wähler votierten gegen eine Fortsetzung des korrupten und autoritären Regierungsstils Martinellis und dessen versteckte Wiederwahl.

Zwar hinterlässt er eine boomende Wirtschaft, die Wachstumsrate ist mit neun Prozent die höchste in der Region. Auf der anderen Seite aber lebt jeder Dritte in Panama in Armut oder gar extremer Armut. Für den neuen Präsidenten Varela wird die soziale Schieflage des Landes dann auch eine der größten Herausforderungen werden. Wie zur Einstimmung war die Wahl von Lohnstreiks der Bauarbeitergewerkschaft Suntracs sowie Lehrerverbänden begleitet worden. Beide Arbeitskämpfe sind mittlerweile beigelegt, die sozialen Spannungen aber bestehen fort. Im Wahlkampf hatte sich Varela immer wieder für höhere Sozialausgaben ausgesprochen. Eines seiner Hauptversprechen war die Preiskontrolle von 22 Basisprodukten, um die Inflation zu senken. Ein entsprechendes Dekret wird er wohl noch am Tag der Amtseinführung unterzeichnen.

Der 50-Jährige ist und bleibt aber ein konservativer Unternehmer, der der traditionellen Oligarchie in Panama entstammt. Seiner Familie gehört eine bekannte Rumfabrik, er selbst ist an mehreren Radiosendern beteiligt. Zudem ist er Mitglied des Opus Dei, dem erzkonservativen Orden der Katholischen Kirche. Allgemein wird erwartet, dass Varela die unternehmerfreundliche Freihandelspolitik seines Vorgängers fortsetzt. »Varela unterliegt den Richtlinien, die aus den USA die wirtschaftlichen, sozialen und militärische Belange vorgeben«, so der Politologe Marcos A. Gandásegui Jr..

Immerhin hat Varela angekündigt, die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela wieder aufzunehmen – und sich damit schon mal von seinem Amtsvorgänger abgesetzt. Doch angesichts schrumpfender Einnahmen aus dem Betrieb des Panama-Kanals, der derzeit umgebaut wird, äußert sich auch der Wirtschaftswissenschaftler Raul Moreira eher skeptisch. Die Regierung »wird sehr kreativ sein müssen, um ihre teuren Wahlversprechen zu erfüllen und der gewaltigen Staatsverschuldung zu begegnen.« Aber vielleicht erweist sich ja Varela erfindungsreicher als gedacht.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 1. Juli 2014


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