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Duell zweier Premiers

Parlamentswahlen in Papua-Neuguinea sollen Doppelherrschaft beenden

Von Thomas Berger *

Es ist schon ein erster Erfolg, daß die Wahlen überhaupt wie geplant stattfinden. Schließich ist Papua-Neuguinea, wo am Sonnabend die zweiwöchigen Parlamentswahlen angelaufen sind, seit fast einem Jahr faktisch politisch handlungsunfähig. Zwei Männer behaupten jeweils von sich, der rechtmäßige Regierunschef zu sein, und sowohl Sir Michael Somare als auch sein Widersacher Peter O’Neill können dafür gute Gründe ins Feld führen. Der Erstgenannte stützt sich vor allem auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom Dezember, das seine Wiedereinsetzung verfügt, während der zweite die meisten anderen zentralen staatlichen Institutionen, namentlich Polizei und Militär, hinter sich vereinen kann. De facto hat Papua-Neuguinea durch Neuernennungen aber nicht nur zwei Premierminister, sondern auch zwei Armee- und Polizeichefs. Jeglicher Versuch, die beiden Streithähne zum Einlenken zu bewegen, war bisher erfolglos.

Zu der skurrilen Situation kam es, als der 75jährige Somare im März 2011 für mehrere Monate zur medizinischen Behandlung ins Ausland ging. O’Neill ließ sich im August von einer Parlamentsmehrheit zu seinem Nachfolger wählen, und fälschlicherweise war zwischenzeitlich auch aus dem Familienkreis verbreitet worden, Somare wolle sich aus der aktiven Politik zurückziehen, wo er seit über 35 Jahren an vorderster Front mitspielt und insgesamt viermal im Chefsessel saß, seit das Land 1975 von Australien unabhängig wurde.

Der Alte ging aber mitnichten in Rente, sondern war schließlich wieder da – mit dem Anspruch, sein vormaliges Amt fortzuführen. Doch O’Neill weigerte sich selbst nach dem Richterspruch beharrlich, den Platz an der Spitze des Kabinetts wieder zu räumen. Die jetzige Wahl soll das Dilemma beenden.

Nicht nur das Personenduell an der Spitze läßt kaum inhaltliche Auseinandersetzungen zu. Programme und die Präsentation von Konzepten zur Lösung von Problemen sind traditionell Mangelware bei Wahlkämpfen in dem pazifischen Inselstaat. Vor allem in den ländlichen Regionen geht es um den Einfluß weniger Familien, die oft schon über Jahrzehnte hinweg dominieren. Andere drängen nach an die Fleischtöpfe der Macht und hoffen darauf, nach Erringung eines Abgeordnetenmandates vielleicht sogar einen Ministerposten abstauben zu können. In ländlichen Gebieten ist es dabei durchaus üblich, dem gewünschten Wählervotum nicht nur mittels Einschüchterung, sondern auch mit Geldflüssen und sonstigen Vergünstigungen nachzuhelfen. Traditionelle Abhängigkeiten und geringer Bildungsstand sind der Nährboden, auf dem Stimmenkauf prächtig gedeihen kann.

Etwas anders sieht es in den wenigen urbanen Zentren aus. In der Hauptstadt Port Moresby und einigen anderen Orten hat sich eine kritische Gesellschaftsschicht herausgebildet, die auch über die neuen Medien vernetzt ist. Immerhin jeder dritte der 6,5 Millionen Einwohner hat mittlerweile ein Handy, und die Einführung von Breitbandnetzen durch die Mobilfunkgesellschaften bietet erstmals auch in größerem Umfang die Möglichkeit von Internetverbindungen. Die Zahl der Facebook-Nutzer etwa hat sich binnen eines Jahres auf 80000 verdoppelt.

Bis zu 70 Kandidaten gibt es in einzelnen Wahlkreisen, eine kaum noch zu überschauende Zahl. Noch nie war die Konkurrenz größer: 3 435 Bewerber aus 46 Parteien kämpfen um gerade einmal 109 Mandate, nur 135 der Anwärter für das neue Parlament sind weiblich. Die Wahlen dauern zwei Wochen, drei weitere sind für die Stimm­auszählung veranschlagt.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. Juni 2012


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