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Keine Insel der Seligen

Megakonzerne investieren Milliarden in Papua-Neuguinea. Vom gigantischen Erdgasprojekt profitieren voraussichtlich nur wenige

Von Raoul Rigault *

Knapp elf Milliarden Euro wollen der US-Konzern Exxon-Mobil und die australische Firma Oil Search in Papua-Neuguinea investieren. Es geht um ein Erdgasprojekt, das zu den größten der Welt zählt. Ab 2014 sollen im Hochland der Insel nördlich von Australien dreißig Jahre lang 6,6 Millionen Tonnen Gas pro Jahr gefördert werden. Über eine 300 Kilometer lange Pipeline gelangt es dann an die Küste und wird von dort weitere 415 Kilometer unter Wasser in eine Raffinerie nahe der Hauptstadt Port Moresby gepumpt, so die Planungen. Verflüssigt soll es dann in alle Welt transportiert werden. 22,4 Mil­liarden Euro Gewinn erwarten sich die Betreiber von dem Projekt. Im Land bleiben wird davon wenig, denn die Regierung ist nur über eine knapp 17prozentige Minderheitsbeteiligung an Oil Search mit von der Partie.

Dabei hätte der drittgrößte Inselstaat der Welt Einnahmen bitter nötig, um den Lebensstandard der Bevölkerung zu heben und die Entwicklung voranzutreiben. Nur an wenigen Orten der Erde stehen potentieller Reichtum und massenhafte Armut in derart scharfem Gegensatz wie in der erst 1975 unabhängig gewordenen, ehemaligen deutschen, später britischen und australischen Kolonie. Auf dem Human Development Index der UNO rangiert Papua knapp vor Sudan und Haiti auf Platz 148 von 182 Staaten. 37,5 Prozent der 6,7 Millionen Einwohner leben in extremer Armut. Zwar verkündet Premierminister Michael Somare (73) von der National Alliance Party gern, daß »in den Dörfern jeder etwas zu essen hat«, doch stimmt das nur, weil 85 Prozent seiner Untertanen von der Subsistenzwirtschaft leben. Ohne die Süßkartoffeln, Bananen, Taro und Yams aus eigenem Anbau sowie ein wenig Viehzucht sähe die Lage laut den vor Ort tätigen Entwicklungsorganisationen dramatisch aus.

In katastrophalem Zustand befinden sich auch die medizinische Versorgung und das Bildungswesen. Auf 11000 Einwohner kommt gerade mal ein Arzt, obwohl der Anteil der HIV-Infizierten zu den höchsten der Welt zählt. Da überrascht es nicht, daß die Lebenserwartung der Männer laut Weltbank 2007 nur bei 54,6 und die der Frauen bei 60,4 Jahren lag – im Schnitt 24 Jahre weniger als in Australien. Ein Drittel der Bewohner kann weder lesen noch schreiben. Es ist eine hausgemachte Misere. Das Land verfügt nicht nur über riesigen Erdgasreserven, es gibt auch erhebliche Öl-, Gold- und Kupfervorkommen. Geld bringen ebenfalls Tropenhölzer und die Ernten der großen Kaffee-, Kopra-, Kakao- und Palmölplantagen. Die entsprechenden Gesellschaften befinden sich allerdings ganz überwiegend in ausländischem Besitz.

Auch beim Außenhandel hat sich am halbkolonialen Status des »Unabhängigen Staates Papua-Neuguinea«, wie er offiziell heißt, wenig geändert. 50,9 Prozent der Importe kamen 2007 aus Australien. China und Japan folgten mit 7,7 bzw. 5,5 Prozent weit abgeschlagen noch nach Singapur (11,3 Prozent). Mit gut einem Viertel war die letzte Kolonialmacht vor Japan (9,5) und China (5,8 Prozent) auch größter Exportpartner.

So ist der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes, John Paska, schon hochzufrieden, daß es Ende Januar nach einem harten, 16 Jahre währenden Kampf endlich gelang, den gesetzlichen Mindestwochenlohn von 22 auf 100,76 Kina, umgerechnet von sechs auf 27,60 Euro zu erhöhen. Ergebnis ist ein Stundenlohn von 61 Euro-Cent. Umgerechnet 270 Millionen Euro werden seiner Schätzung zufolge auf diese Weise im Land bleiben. Doch auch in der Südsee gilt: Kein Gewerkschaftsabkommen ohne Öffnungsklauseln, denn erstmals sind weitreichende Ausnahmen für die Landwirtschaft sowie für Industrie- und Dienstleistungsunternehmen vorgesehen, die rote Zahlen schreiben. Fraglich bleibt auch die Umsetzung, denn im privaten Sicherheitsgewerbe erhielten schon bislang 90 Prozent der Wachleute weniger als den kargen Mindestsatz.

Gleichzeitig zeugen in Port Moresby luxuriöse Villenviertel vom Wohlstand einer kleinen, einheimischen Oberschicht. Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Regierungsbeamte Laurence Chandy vergleicht den Kapitalfluß in Neuguinea mit der »schlechten Durchblutung eines Körpers«. Die weitverbreitete Subsistenzwirtschaft führe in Verbindung mit dem nach wie vor dominanten Stammessystem, fehlenden staatlichen Strukturen, kaum vorhandenen Verkehrswegen und einem unzureichenden Banken- und Finanzsystem zur Zersplitterung der Gesellschaft und lokaler Beschränktheit. Angesichts von über 800 Sprachen und fast eben so vielen Volksgruppen seien Korruption und Clanherrschaft an der Tagesordnung. Die ohnehin geringen Einnahmen der Regierung aus Steuern und Bergbaulizenzen werden vom Kabinett zum Großteil an die Stammesfürsten weitergeleitet, um sich deren Loyalität zu sichern.

Jenny Hayward-Jones von der australischen Denkfabrik »Lowy Institute for International Policy« in Sydney sieht daher im Augenblick »nur geringe Chancen«, daß die Erträge aus dem Erdgasmegaprojekt in nennenswertem Umfang den Armen zugute kommen könnten. Dagegen spricht auch die geplante Unterbringung der mehreren tausend Arbeiter in den Minencamps. Deren Quartiere werden Internierungslagern ähneln. Um eine HIV-Infizierung durch Prostituierte zu verhindern, sollen sie von der Außenwelt hermetisch abgeriegelt werden.

* Aus: junge Welt, 24. März 2010


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