Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Inselstaat mit Extras

Papua-Neuguinea setzt auf Rohstoffexporte. Riesiges Öl- und Gasförderprojekt nimmt 2014 Betrieb auf. Investoren treffen auf selbstbewußte Landeigentümer

Von Thomas Berger *

Papua-Neuguinea hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte ökonomische Aufholjagd hingelegt. Das Land an der Nahtstelle zwischen Südostasien und dem riesigen australisch-pazifischen Raum ist reich an natürlichen Ressourcen, kann sie aber bislang nur unzureichend nutzen. Große Bedeutung kommt dem Ausbau der Infrastruktur zu, um wirtschaftliche Potentiale besser ausschöpfen zu können. Dies kann Port Moresby nicht aus eigener Kraft stemmen und benötigt Geldgeber. Potentielle ausländische Investoren haben das schon im Blick. Vor allem aber steht die Gesellschaft vor der Aufgabe, die Bevölkerung stärker als bisher am Aufschwung teilhaben zu lassen.

Laut einer Mitte Oktober vorgelegten Studie der australischen Bank ANZ könnte die Regierung in Port Moresby bis zum Jahr 2030 ihre Einnahmen aus wichtigen Exportzweigen auf umgerechnet 437 Milliarden Australische Dollar (307 Milliarden Euro) steigern. Allerdings seien zunächst 119 Milliarden Dollar an Investitionen notwendig, um die Voraussetzungen wie Förderanlagen und Transportwege zu schaffen, heißt es. Ohne diesen Anschub würden die Ausfuhren weitaus geringer ausfallen und nur auf 163 Milliarden Dollar steigen.

Beim aktuell größten Einzelprojekt geht es um Erdgasförderung. Die Anlage steht kurz vor der Fertigstellung und soll laut Angaben der Betreiber in der zweiten Jahreshälfte 2014 mit dem Betrieb beginnen. Federführend ist mit Esso Highlands Limited eine Tochterfirma des US-Konzerns Exxon Mobil, die einen 33-Prozent-Anteil an dem Joint-venture hält. An diesem sind außerdem die staatliche Petromin PNG Holding sowie mehrere japanische und australische Firmen beteiligt. Sie alle tragen die Gesamtinvestitionen, die sich über die prognostizierte 30jährige Projektlaufzeit auf umgerechnet etwa zwölf Milliarden Euro belaufen werden. Die geplanten Abnehmer der im zentralen Hochland geförderten Brennstoffe sind vor allem chinesische Firmen. Entsprechend lange Pipelines müssen bis zur Küste für die Verschiffung gebaut werden. Die Öl- und Gasförderung Papua-Neuguineas wird sich in den nächsten Jahren vervierfachen. Auf rund 23 Milliarden Euro werden sich laut Schätzungen die direkten Erlöse für Landeigentümer sowie die Regierung summieren.

Dieses Geld ist wichtig. Ungeachtet seiner enormen Reichtümer gehört das Land noch immer zu den rückständigsten. Der jüngste Bericht der UN-Entwicklungsorganisation (UNDP) zeigt, daß es zwischen 1980 und 2012 zwar beachtliche Fortschritte gegeben hat, Papua-Neuguinea gemessen an Vergleichswerten der gesamten Region aber weiter stark zurückliegt. So hat sich die Dauer des Schulbesuches von durchschnittlich vier auf sechs Jahre erhöht, die Lebenserwartung stieg um zehn auf 63,1 Jahre. Beim Human Development Index (HDI), dem wichtigsten Indikator für die soziale Entwicklung, verharrt das Land auf dem 156. Platz der 187 untersuchten Staaten. Was Bildungschancen, Gesundheit und Lebenserwartung angeht, haben selbst vergleichbare Länder aus der weiteren Nachbarschaft wie Laos oder die Salomonen teils deutlich bessere Werte vorzuweisen.

Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen hat sich zwar zwischen 2005 und 2011 etwas mehr als verdoppelt. Solche Zahlen sind aber immer nur die halbe Wahrheit. Zum einen sind viele Konsumentenpreise im gleichen Zeitraum um mindestens die Hälfte bis drei Viertel angestiegen (die jährliche Inflationsrate schwankt zwischen 6,5 und gut acht Prozentpunkten), zum anderen gibt es eine enorme Kluft zwischen der vergleichsweise geringen urbanen Bevölkerung in der Hauptstadt Port Moresby und einigen anderen Orten, sowie den Menschen, die auf dem Land leben. Zwar ist jeder dritte Insulaner im Besitz eines Telefons, die Bevölkerung in den großen, kaum erschlossenen ländlichen Regionen, ist dabei aber weit unterrepräsentiert. 2,3 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zum Internet, nur zwölf Prozent aller Haushalte verfügen überhaupt über einen Stromanschluß.

Das Megagasprojekt gibt gegenwärtig zwar neben rund 11000 ausländischen Kräften auch knapp 8000 Einheimischen in der Aufbauphase Arbeit. Bei laufendem Betrieb ab 2014 werden dauerhaft aber nur etwa 850 zumeist aus dem Land selbst stammende Mitarbeiter einen Job finden. Gemessen am enormen Arbeitsplatzbedarf ist dies wenig. In den letzten 30 Jahren hat sich die Einwohnerzahl von gut zwei auf nunmehr sieben Millionen Einwohner erhöht. Das jährliche Bevölkerungswachstum von über vier Prozent gehört zu den höchsten weltweit. Die Einwohnerzahl in den wenigen Städten schwillt pro Jahr um fünf Prozent an. Landesweit konkurrieren 700 bis 800 ethnische Gemeinschaften und Clans um einen fairen Anteil an der Entwicklung.

Die jüngste Studie unterstreicht ähnliche Ergebnisse aus der Vergangenheit und stellt zu Recht die Defizite bei der Infrastruktur und die teils große Ineffizienz heraus. Allerdings birgt der Ruf aus Wirtschaftskreisen speziell nach einer radikalen Abkehr von traditionellen Landrechtsregularien Gefahren. Bislang hält sich die Regierung in Port Moresby daran, daß 97 Prozent aller Landflächen von den lokalen Gemeinschaften kontrolliert werden. Das mag gelegentlich wirtschaftliches Wachstum bremsen, verhindert aber auch den anderswo üblichen Raubbau an Natur und menschlichen Lebensgrundlagen. Wohin massenhafte Entwaldungen für Plantagen mit sogenannten Cash crops (Pflanzen, die hochprofitable Ernten bringen) führen, läßt sich im benachbarten Indonesien beobachten. Der dort geplante Anstieg der Palmölproduktion von 398000 Tonnen (2010) auf 1,224 Millionen im Jahr 2030, bei Kaffee von 189000 auf 1,6 Millionen Tonnen und bei Kakao von 116000 auf 625000 Tonnen, wie es die ANZ-Studie als Ziel für Indonesien angibt, wäre ohne zusätzlichen Flächenkonsum selbst mit höherer Effizienz nicht erreichbar.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 5. November 2013


Zurück zur Papua-Neuguinea-Seite

Zur Rohstoff-/Ressourcen-Seite

Zurück zur Homepage