Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Lugo kritisiert Lula

Brasilianische Truppenbewegungen sorgen für Protest aus Paraguay

Von Andreas Knobloch, São Paulo *

In der vergangenen Woche hat Brasilien an seiner südlichen Grenze ein Militärmanöver abgehalten und damit vor allem in Paraguay scharfe Proteste hervorgerufen. An der Operation »Frontera Sul 2009« nahmen rund 10000 Soldaten teil. Vor allem Maßnahmen gegen Drogen- und Waffenschmuggel, Menschenhandel und Produktpiraterie sollten geübt werden. Am Wochenende wurde die Militärübung offiziell beendet; doch bereits für Oktober ist eine ähnliche Operation geplant.

Während Paraguay das Manöver in erster Linie als eine Provokation und Machtdemonstration des großen Nachbarn sieht, behauptet die brasilianische Armee in einer Stellungnahme, durch Anwesenheit der Soldaten werde die Sicherheit in den betroffenen Gebiet erhöht. »Frontera Sul 2009« ist Teil einer Strategie, nach der Brasilien seine Militärpräsenz in der Region ausbauen möchte und diene der »Verteidigung der Souveränität«, wie Brasiliens Verteidigungsminister, Nelson Jobim, erklärte. Besonders der illegale Warenverkehr aus Paraguay ist Brasilien schon seit längerem ein Dorn im Auge. Paraguay hingegen befürchtet vor allem Einbußen beim Tourismus.

»Die Präsenz von Soldaten mit großkalibrigen Waffen, von Kampfflugzeugen und Kriegshubschraubern an einer sehr sensiblen Grenze wie dieser ist im Ergebnis sehr unangenehm für Besucher. Dies vermittelt keineswegs Sicherheit, sondern wirkt einschüchternd«, so Tony Santamaría von der Handelskammer des paraguayischen Bundesstaates Alto Paraná.

Dessen Hauptstadt Ciudad del Este gilt als das Zentrum für Produktpiraterie und ist bei vielen Brasilianern als Tagesausflugsziel zum Einkaufen sehr beliebt. Nach Miami und Hongkong gilt die Stadt als weltweit drittgrößter Warenumschlagplatz. Viele seiner 700000 Einwohner sind abhängig von einem reibungslosen Grenzverkehr mit Brasilien.

Und tatsächlich gingen der Personen- und Autoverkehr an der Grenze zwischen Ciudad del Este auf paraguayischer Seite und Foz de Yguazú in Brasilien während des Manövers vergangene Woche um die Hälfte zurück. Normalerweise überqueren im Schnitt rund 7 000 Menschen pro Tag die Grenze.

»Wir sind uns des Problems des Schmuggels und der Illegalität durchaus bewußt. Zwischen den Präsidenten und Ministern wird immer von Kooperation und Brüderlichkeit gesprochen, doch klare Regeln für den Handelsverkehr fehlen. Es ist die Rede davon, daß diese Aktivitäten formalisiert werden müssen, doch es passiert nichts«, sagte der Gouverneur von Alto Paraná, Nelson Aguinagalde. Mehr Militär trage jedoch nicht zur Lösung bei.

Doch die Kritik aus Paraguay geht noch weiter. Das brasilianische Manöver wird auch als Antwort auf die paraguayische Haltung angesichts des weiterhin ungeklärten Konflikts um die Verträge des gemeinsam betriebenen Wasserkraftwerkes Itaipu verstanden. Die Regierung Fernando Lugo fordert von Brasilia eine Neuverhandlung des 1973 zwischen der Stroessner-Diktatur und der brasilianischen Militärdiktatur geschlossenen Abkommens, das Paraguay finanziell stark benachteiligt. Paraguay, das lediglich fünf Prozent der produzierten Energie selber verbraucht, ist laut Vertrag dazu verpflichtet, die nicht genutzte Energie an Brasilien zu verkaufen - allerdings zu einem festgelegten Tarif, der deutlich unterhalb des Weltmarktpreises liegt. Die Neuverhandlung der Verträge - eines der zentralen Wahlversprechen von Lugo - wird von der brasilianischen Regierung bisher jedoch abgelehnt.

Bereits im Jahr 2008 gab es aufgrund eines Militärmanövers Spannungen zwischen beiden Staaten. Asunción beschwerte sich damals, daß es nicht rechtzeitig über eine Operation der brasilianischen Armee an der gemeinsamen Grenze informiert wurde und bestellte den brasilianischen Botschafter ein. Brasiliens Präsident Lula da Silva entschuldigte sich später.

Die Frontera-Sul-Manöver sind Teil des im Dezember 2007 verabschiedeten Nationalen Mobilisierungssystems (SINAMOB), das dem brasilianischen Militär eine »rasche Reaktion« auf einen etwaigen Angriff aus dem Ausland erlauben soll. Gleichzeitig erweitert es das potentiell brasilianische Einflußgebiet auch über die bestehenden Grenzen hinaus. Konflikte mit seinen Nachbarstaaten sind also programmiert.

* Aus: junge Welt, 10. Juni 2009


Zurück zur Paraguay-Seite

Zur Brasilien-Seite

Zurück zur Homepage