Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Lugo unter Druck

Kritik an Paraguays Staatschef aus Bolivien und den eigenen Reihen

Von Santiago Baez *

Boliviens Regierung hat das Nachbarland Paraguay aufgefordert, dem dorthin geflüchteten Oppositionspolitiker Mario Cossío politisches Asyl zu verweigern. Das sei zwar eine innere Angelegenheit Paraguays, sagte der bolivianische Präsident Evo Morales am Dienstag (Ortszeit) in La Paz, »aber ich würde mir wünschen, daß die Institutionen dieses Staates nicht zu Beschützern der Korruption werden«. Zugleich übergab seine Transparenzministerin Nardi Suxo in Asunción den paraguayischen Behörden Dokumente, die belegen sollen, daß gegen Cossío in seinem Heimatland nicht aus politischen Gründen, sondern aufgrund von Korruptionsvorwürfen ermittelt wird. Dem früheren Präfekten des Departamentos Tarija wird vorgeworfen, den Verbleib von umgerechnet 42 Millionen Euro, die der von ihm geleiteten Regionalregierung in den Jahren 2005 und 2006 aus La Paz zur Verfügung gestellt wurden, nicht nachweisen zu können. Die Ermittlungsbehörden sprechen von fehlender Transparenz und »alarmierender Korruption« beim Umgang mit den öffentlichen Mitteln. Paraguays Nationale Flüchtlingskommission (CONARE) will sich Mitte Januar mit dem Asylantrag Cossíos befassen.

Aber auch innenpolitisch gerät Paraguays Präsident Fernando Lugo knapp drei Jahre nach seiner Wahl immer mehr unter Druck. Wenige Tage vor Weihnachten kündigte die Kommunistische Partei des südamerikanischen Landes, die bislang Teil des um Lugo gruppierten Bündnisses »Patriotische Sozialistische Allianz« gewesen war, ihre »kritische Unterstützung« für den Staatschef auf. Die Rechtstendenz der Regierung habe sich in den vergangenen Monaten immer weiter verschärft, während die versprochenen Veränderungen zugunsten der armen Bevölkerungsschichten kaum noch durchgeführt würden. Daran hätten auch zahlreiche Gespräche zwischen Parteivertretern und dem Staatschef nichts ändern können.

Nahezu zeitgleich, am 19. Dezember, veröffentlichte das Onlineportal Wikileaks eine Depesche der US-Botschaft in Asunción, in der Botschafter James Cason mit Datum vom 2. Juni 2008, wenige Wochen vor Lugos Amtsantritt, dessen Wunsch nach engen Beziehungen zu Washington hervorhob. Der frühere Bischof habe öffentlich angekündigt, sich nicht mit Venezuelas Staatschef Hugo Chávez zu verbünden, auch wenn einige Personen in seinem Umfeld »Verbindungen« zur Bolivarischen Republik hätten. Lugo habe sich gegenüber der US-Botschaft »dankbar« für die angebotene Hilfe gezeigt und brauche »mehr als nur ein bißchen Hilfe von ›oben‹, um als Präsident zu regieren«. Schlußkommentar Casons: »Wenn man Priester nicht glauben kann, wem kann man dann glauben?«

Obwohl die Regierung diesen Bericht über die staatliche Presseagentur IP Paraguay zumindest teilweise dementieren ließ – Lugo habe mit dem Botschafter niemals über den in dem Dokument ebenfalls erwähnten Fall der Entführung und späteren Ermordung von Cecilia Cubas, der Tochter eines früheren Präsidenten, gesprochen –, gilt dies paraguayischen Linken als Beleg für den »Verrat« des Staatschefs, der »US- und CIA-Agent« sei.

* Aus: junge Welt, 6. Januar 2011


Zurück zur Paraguay-Seite

Zur Bolivien-Seite

Zurück zur Homepage