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Hochschwangere in Haft

Hilfsorganisation kritisiert Menschenrechtsverletzungen in Paraguay

Von Volker Hermsdorf*

Während Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Mittwoch in Berlin dem Abgesandten und De-facto-Außenminister des Putschistenregimes von Paraguay, José Félix Fernández Estigarribia, herzlich die Hand schüttelte, klagte in der dortigen Hauptstadt Asunción die unabhängige Kinder- und Jugendhilfsorganisation »Coordinadora por los Derchos de la Infancia y la Adolescencia« (CDIA) das Regime wegen erneuter schwerer Menschenrechtsverletzungen an.

Anlaß für den dringenden Hilferuf der CDIA ist die Situation von zwei seit mehreren Monaten inhaftierten Landarbeiterinnen, die nach Auskunft der Organisation mehrfachen Diskriminierungen ausgesetzt sind und sich derzeit in höchster Gefahr befinden. Fanny Olmedo und Dolores López sind im sechsten und achten Monat schwanger. Die beiden Frauen waren am 15. Juni letzten Jahres nach der blutigen Räumung eines Landgutes in Curuguaty, bei der sechs Polizisten und zwölf Landarbeiter getötet worden waren, zusammen mit anderen Bauern verhaftet worden. Die damaligen Auseinandersetzungen, deren Aufklärung von den derzeitigen Machthabern systematisch verhindert wird, dienten als Rechtfertigung des Putsches gegen den gewählten Präsidenten Fernando Lugo.

Die CDIA beklagte am Mittwoch, daß die »seit diesem Massaker« inhaftierten Frauen und ihre ungeborenen Kinder gleich aus mehreren Gründen Opfer von Diskriminierung seien. Sie würden diskriminiert, »weil sie Frauen sind, weil sie schwanger sind, weil sie Bäuerinnen sind und weil sie arm sind«. Dies sei eine schwerwiegende Verletzung ihrer Menschenrechte. Die Organisation weist darauf hin, daß die Gesetze des Landes eine Untersuchungshaft für Frauen in den letzten Schwangerschaftsmonaten nicht zuließen und den beiden Inhaftierten in ihrer derzeitigen Situation weder die erforderliche Hygiene, Ernährung, Kleidung, Schwangerschaftsgymnastik, Medizin und Betreuung zur Verfügung stünden. Sie und ihre Ungeborenen befänden sich deshalb in akuter Gefahr. Außerdem sei das Gefängnis kein Ort, um Kinder zu gebären, zu versorgen oder aufzuziehen.

Wie die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina am Mittwoch berichtete, befinden sich zwei Mithäftlinge seit über 40 Tagen in einem Hungerstreik, mit dem sie unter anderem die Freilassung der beiden Hochschwangeren durchsetzen wollen. Am Dienstag hatte Amnesty International darauf hingewiesen, daß »inhaftierte Bauern von Folter und Mißhandlungen berichten«, und den Bundesaußenminister aufgefordert, gegenüber seinem Besucher aus Paraguay die dortigen Menschenrechtsverletzungen anzusprechen.

Doch trotz der Amnesty-Aufforderung, Protesten von deutschen Oppositionspolitikern und Vertretern lateinamerikanischer Organisationen in der Bundesrepublik beließ Westerwelle es beim freundschaftlichen Händedruck mit dem Vertreter der FDP-Schwesterpartei. Während das Auswärtige Amt sich nach der Zusammenkunft über die Inhalte des Gesprächs ausschwieg und seinen Pressesprecher Andreas Peschke lediglich Floskeln über die Notwendigkeit von »freien und fairen Wahlen« verbreiten ließ, informierte der Putschistenabgesandte seine heimischen Medien­vertreter weniger verschämt. Der deutschsprachigen Online-Zeitung »Das Wochenblatt« aus Paraguay zufolge bestätigte Fernández Estigarribia nach dem Treffen, daß das Thema Menschenrechte zwar »aufgegriffen wurde, jedoch keineswegs mit einem bestimmenden Ton«. Westerwelle habe außerdem »davon gesprochen, daß die Rechtssicherheit in Paraguay verbessert werden müsse, da sich einige Investoren negativ geäußert hätten«.

* Aus: junge Welt, Freitag, 15. März 2013


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