Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Pragmatische Rechte übernimmt Paraguay

Mit Horacio Cartes kehrt Colorado-Partei an die Regierung zurück / Linke erreicht nur schwaches Ergebnis

Von Harald Neuber *

Die Präsidentschaftswahlen in Paraguay sind erwartungsgemäß mit dem Sieg des konservativen Unternehmers und Großgrundbesitzers Horacio Cartes ausgegangen.

Der 56-jährige konnte bei der Wahl am Sonntag nach dem vorläufigen Endergebnis 45,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, während der liberale Herausforderer Efraín Alegre auf 36,9 Prozent kam. Mit dem politischen Neuling Cartes kehrt zugleich die Colorado-Partei an die Hebel der Macht zurück. Die langjährige Staatspartei, der auch der ehemalige Diktator (1954-1989) Alfredo Stroessner angehörte, war 2008 von dem linksgerichteten ehemaligen Bischof Fernando Lugo nach 60 Jahren von der Regierung verdrängt worden.

Die Allianz zwischen Lugo und der liberalen Partei währte jedoch nicht lange. Die Streitigkeiten endeten Mitte vergangenen Jahres in einer Amtsenthebung, die in der Region als »institutioneller Putsch« gewertet wird. Paraguay wurde bis zur Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen aus allen relevanten Regionalorganisationen ausgeschlossen. Lugos ehemaliger Vertreter und bisherige De-facto-Präsident Federico Franco hatte diese Entscheidung mehrfach als illegal bezeichnet und scharf kritisiert.

Die Wahl Cartes’ ist nun vor allem ein Ausdruck des neuen Pragmatismus der paraguayischen Oligarchie. Franco wetterte bis zuletzt massiv gegen Kuba und Venezuela, bezeichnete den Tod von Venezuelas Präsident Hugo Chávez als »Wunder« und erkannte dessen Nachfolger Nicolás Maduro nicht an. Gegen die Aufnahme Venezuelas in das Wirtschaftsbündnis Mercosur wollte der Rechtspopulist rechtlich vorgehen. Bis zum Ausschluss Paraguays nach der Amtsenthebung Lugos hatte die rechtsliberale Kongressmehrheit die Aufnahme Venezuelas in das Bündnis blockiert. Nachdem die Mitgliedschaft Paraguays suspendiert wurde, bestätigten die übrigen Mercosur-Mitglieder die Vollmitgliedschaft des sozialistisch regierten Erdölstaates. Auch der designierte Präsident Horacio Cartes polemisierte zu Beginn des Wahlkampfes gegen Venezuela. Zuletzt aber bezeichnete er die Mitgliedschaft dieses Landes im Mercosur als eine Tatsache. Für Aufsehen sorgte hingegen, dass er Homosexuelle als »Affen« bezeichnete.

Die Linke hat sich von dem Parlamentsputsch vor zehn Monaten nicht erholt. Die Allianz Lugos ist zerstritten und kam auf nur 3,32 Prozent. Es wird nun an dem ehemaligen Armenpriester liegen, als einer von fünf Senatoren der linksgerichteten Frente Guasú die progressiven Kräfte neu aufzustellen. Der Erfolg der Linken kann nach erstem Ermessen nur über die politische Beteiligung der marginalisierten Teile der Bevölkerung führen. Mit knapp 69 Prozent lag die Wahlbeteiligung am Sonntag zwar höher als bei den vergangenen Abstimmungen, im regionalen Vergleich aber noch immer recht niedrig. Die 49 Prozent der städtischen Armen und 40 Prozent der Landbevölkerung sind in Paraguay traditionell nur schwach in den parlamentarischen Prozess eingebunden.

Die Reaktionen auf die relativ ruhig verlaufene Wahl waren weitgehend positiv. Nach Angaben des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur kritisierten Vertreter der Union südamerikanischer Staaten zwar Unregelmäßigkeiten und die Behinderung linker Kräfte.

Die entscheidenden Signale kamen aber aus den Mercosur- Staaten Argentinien und Uruguay. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández beglückwünschte Cartes. Ihr uruguayischer Amtskollege José Mujica lud den designierten Präsidenten sogar zum Mercosur-Gipfel im Juni ein, knapp zwei Monate vor dessen Amtsübernahme am 15. August.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 23. April 2013


Alles wieder normal

Paraguay: Colorado-Partei kehrt an die Regierung zurück. Kritik an Ausgrenzung der Linken. Weg zurück in MERCOSUR und UNASUR frei

Von Santiago Baez **


Nach fünfjähriger Unterbrechung kehrt die rechte Colorado-Partei an die Regierung Paraguays zurück. Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag setzte sich Horacio Cartes mit 45,8 Prozent der Stimmen gegen den Kandidaten der Liberalen Partei (PLRA), Efraín Alegre, durch, der auf 36,9 Prozent kam. Abgeschlagen blieben die Vertreter der zersplittert angetretenen Linken. Mit 5,9 Prozent auf dem dritten Platz landete Mario Ferreira vom Bündnis Avanza País, während die Frente Guasú mit Aníbal Carrillo 3,3 Prozent erreichte und den vierten Platz belegte.

Die Abstimmung in dem südamerikanischen Land stand im Schatten des institutionellen Staatsstreichs im Juni 2012. Damals war der demokratisch gewählte Staatschef Fernando Lugo durch eine Allianz aus Liberalen und Colorados in einem parlamentarischen Schnellverfahren gestürzt worden. In den Nachbarländern wurde dieses Vorgehen als Putsch verurteilt, Paraguays Mitgliedschaft im Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) und in der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) wurde suspendiert. Demgegenüber beeilte sich die deutsche Bundesregierung, den neuen Machthabern ihren Segen zu erteilen. Bereits einen Tag nach dem Sturz Lugos besuchte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) Asunción und erklärte öffentlich, die Absetzung des Präsidenten sei »nach den Regeln der Verfassung« abgelaufen.

Lugo, der sich im Wahlkampf für die Frente Guasú engagiert hatte, kritisierte am Wahltag nach seiner Stimm­abgabe, daß die Linke Paraguays im Wahlkampf benachteiligt worden sei. So habe sich das staatliche Fernsehen geweigert, Wahlspots der Opposition auszustrahlen. Außerdem seien bei den Wahlen in mehreren Regionen des Landes die von der Frente Guasú benannten Zeugen nicht in die Wahllokale gelassen worden. Das sei zwar illegal, von den Behörden jedoch nicht unterbunden worden, bemängelte Lugo.

Die im Widerstand gegen die Putschisten entstandene »Front zur Verteidigung der Demokratie« kommentierte den Wahlausgang am Sonntag abend (Ortszeit) im Internet als »gravierenden und traurigen Rückschritt«, weil nun der »Drogenkriminelle Cartes« Staatschef sei.

Schon im Januar 2011 hatte die Tageszeitung ABC Color über die »dunklen Seiten« Cartes’ berichtet. So habe ein Untersuchungsausschuß des brasilianischen Parlaments dessen Tabakunternehmen TABESA als eine der Firmen ausgemacht, die in großem Stil in den Zigarettenschmuggel aus Paraguay nach Brasilien verwickelt sei. »Wir können uns vorstellen, wie glücklich die Brasilianer wären, wenn sie sich bewußt werden, daß ein möglicher Präsidentschaftskandidat Paraguays geschmuggelte Zigaretten in dieses Land bringt«, kommentierte das konservative Blatt damals. Mit Blick auf Verbindungen zu namentlich bekannten Mafiosi hieß es in dem von Rubén Céspedes gezeichneten Beitrag weiter: »Könnte man sich einen Präsidentschaftschaftskandidaten zum Beispiel in den USA, Brasilien, Uruguay oder einem anderen ernstzunehmenden Land des Kontinents vorstellen, der Geschäfte mit Personen macht, die des Drogenhandels und Schmuggels angeklagt sind?« Die führende Rolle von Cartes bei den Colorados habe gezeigt, daß diese Partei aus ihrer Geschichte nichts gelernt hat.

Die hauptsächlich von Militärs und Großgrundbesitzern unterstützte Colorado-Partei hatte Paraguay seit 1947 bis 2008 ununterbrochen regiert, auch unter der Diktatur des 1954 an die Macht geputschten und bis 1989 herrschenden Alfredo Stroessner. Erst 2008 war sie aus der Regierung verdrängt worden, als Fernando Lugo die Wahl an der Spitze eines heterogenen Linksbündnisses und zunächst mit Unterstützung der Liberalen gewinnen konnte.

Paraguay dürfte nun als »demokratisch geläutert« in die süd­amerikanische Staatengemeinschaft zurückkehren. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández begrüßte die Wahlen bereits: »Südamerika ist wieder komplett«. Sie erwarte die baldige Rückkehr Paraguays in den MERCOSUR.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 23. April 2013


Zurück zur Paraguay-Seite

Zurück zur Homepage