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Vorsichtiger Optimismus in Paraguay

Linke Kräfte trotz Wahlniederlage nicht verzweifelt

Von Johannes Wilm, Asunción *

Bei den Wahlen in Paraguay hat die rechte Colorado-Partei am Sonntag gegen die Liberale Partei und die gespaltenen linken Kräfte gewonnen. Diese hatten 2008 erstmals mit Fernando Lugo den Präsidenten gestellt. Mit dem der Geldwäsche verdächtigten Horacio Cartes stellt nun die Colorado-Partei, die das südamerikanische Land von 1947 bis 2008 regiert hatte, erneut das Staatsoberhaupt.

Die Reaktion großer Teile der Linken war von Fassungslosigkeit geprägt. Die Studentin Cony Oviedo Gonzalez, die letzten Sommer die Proteste gegen den Staatsstreich in Asunción organisiert hatte, beschreibt das Empfinden vieler: »Ohne Zweifel ist es ein enormer Rückschritt, daß die reaktionäre Colorado-Partei wieder an die Macht kommt und daß wir uns in Richtung einer Drogenrepublik mit einem Drogenboß als Präsidenten bewegen, der keine Vision für das Regieren des Landes hat.«

Aníbal Carillo, der als Präsidentschaftskandidat für die linke Frente Guasú kandidiert hatte, sieht Cartes als den Hauptgrund für den Staatsstreich vom Juni 2012, als Fernando Lugo, »Bischof der Armen«, vom Parlament abgesetzt wurde. Demnach hatten leitende Personen in der Liberalen Partei schon zu Anfang der Präsidentschaft Lugos mit diesem gebrochen. Aber erst mit der Unterstützung von Cartes hatten sie die notwendige Mehrheit, um einen parlamentarischen Staatsstreich durchführen zu können.

Dennoch ist die Situation nach den Wahlen für die linken Kräfte nicht so negativ wie es auf den ersten Blick scheint. Der Präsident in Paraguay hat relativ wenig Macht im Verhältnis zum Parlament. Bei den Wahlen schafften es die beiden linken Gruppen, Frente Guasú und Avanza País, sieben von 45 Senatorensitzen zu ergattern. Vor den Wahlen war nur die Frente Guasú mit drei Abgeordneten vertreten. Zusammen sind die beiden Organisationen somit die drittgrößte politische Gruppe im Land geworden.

Die Wahl Lugos 2008 hatte viele Jugendliche aus den reicheren urbanen Gegenden dazu inspiriert, sich in den ärmeren Gebieten zu engagieren; linke Gruppen wurden nachhaltig gestärkt. Gonzalez meint, daß diese Entwicklung trotz institutionellen Putsches und verlorener Präsidentschaftswahl weitergeht: »In Paraguay begann im Jahre 2008 ein Prozeß sozialer Veränderung, der am 15. Juni 2012 durch den Staatsstreich gebremst wurde. Aber die linken Bewegungen wachsen weiter und sind jetzt stärker als vorher.«

Die Reaktion auf die Wahl von Cartes aus dem benachbarten Argentinien fiel überraschenderweise positiv aus. Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner twitterte Glückwünsche und deutete an, daß Paraguay jetzt wieder in den Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) aufgenommen werden könnte. Die Mitgliedschaft war wegen des Staatsstreiches suspendiert worden.

Eine solche Reintegration in den MERCOSUR und in die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), die von Cartes ausdrücklich gewünscht ist, steht im Kontrast zu den traditionellen Verbindungen der Colorado-Partei zu den USA. Ein möglicher Wiedereintritt in den ­MERCOSUR wird jedoch die Position Paraguays in dem Verbund nicht einfach wiederherstellen können. Inzwischen ist Venezuela Mitglied des Gemeinsamen Marktes geworden. Dies hatte die Colorado-Partei zuvor verhindern können. Jetzt ist umgekehrt Cartes auf Venezuelas Zustimmung angewiesen, um die volle Mitgliedschaft für sein Land erreichen zu können. Eine Spaltung Südamerikas in verschiedene Handelsblöcke ist somit überwunden, die Stellung Venezuelas gestärkt und die der paraguayischen Rechten geschwächt.

Zu diesem Schluß sind auch einige der nationalistischen Kräfte des Landes gelangt. Ein Vertreter der Partei der Nationalen Vereinigung (PEN) forderte am Montag Cartes in einem Interview mit Radio Ñanduti dazu auf, Argentiniens Präsidentin zu antworten, daß MERCOSUR erst Venezuela die Mitgliedschaft kündigen solle. Danach würde Paraguay sich entscheiden, ob es erneut Mitglied werden wolle.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 24. April 2013


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