Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Blut für Soja

Paraguay: Großgrundbesitzer okkupieren mit Hilfe korrupter Beamter staatliche Ländereien. Arme Bauern werden verfolgt und ermordet

Von Carmela Negrete *

In Paraguay ist am vergangenen Mittwoch der Bauernführer Eusebio Torres von bislang unbekannten Tätern ermordet worden. Der Anschlag traf den 64jährigen im Hof seines Hauses im südöstlichen Departamento Alto Paraná. Nur einen Tag zuvor hatte Torres an einer »öffentlichen Beschwerde« vor dem Gebäude des Nationalen Instituts für die Entwicklung von Grund und Boden (INDERT) teilgenommen, um auf den illegalen Anbau von Soja und Mais durch Großgrundbesitzer in der Siedlung Santa Lucía, Distrikt Itakyry, hinzuweisen.

Im Gespräch mit der Tageszeitung Última Hora bestritt INDERT-Chef Justo Cárdenas am Montag (Ortszeit) jeden Zusammenhang seiner Behörde mit dem Mord. Zugleich räumte er jedoch ein, daß es zahlreiche Ländereien im Staatsbesitz gebe, die ohne Genehmigung von privaten Unternehmen bewirtschaftet und ausgebeutet werden. In diese illegale Landnahme seien auch Beamte seines Instituts verwickelt, die Konzessionen gegen Schmiergelder an Großunternehmen vergeben würden. Allein in Santa Lucía am Dreiländereck zwischen Paraguay, Brasilien und Argentinien würden 3187 Hektar illegal für den Sojaanbau genutzt. Tomás Zayas, Generalsekretär der Landwirtevereinigung von Alto Paraná (ASAGRAPA), geht auch deshalb davon aus, daß hinter dem Mord an Eusebio Torres die »Sojamafia« steht. Sein Amtsvorgänger Miguel Miranda erklärte, daß durch solche Verbrechen »die sozialen Kämpfe enthauptet werden« sollen.

Der Kampf um die Ländereien dauert in dieser Region bereits seit mehr als einem Jahrzehnt an. Viele Aktivisten der Bauernbewegung hätten sich in dieser Zeit vor Verfolgungen in andere Landesteile retten müssen, erklärte die ASAGRAPA. Torres ist schon der dritte Bauer, der allein in diesem Jahr in Paraguay im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um den Grundbesitz ermordet wurde. Am 2. Februar wurde der Bauer Nery Benítze in Luz Bella mit zwölf Schüssen regelrecht hingerichtet. Am 14. Februar starb der Landwirt Arsenio López bei einem Anschlag. Seit dem Ende der Stroessner-Diktatur 1989 seien mehr als 160 Landwirte umgebracht worden, beklagt die Nationale Bauernföderation FNC.

Soja ist ein gutes Geschäft, für das deren Profiteure über Leichen gehen. Paraguay ist der viertgrößte Exporteur der Pflanze weltweit. Während das Wirtschaftswachstum des Landes 2013 mit zwölf Prozent eines der höchsten weltweit war, gehört Paraguay nach Angaben von Oxfam zu den zehn Ländern dieses Planeten mit der größten sozialen Ungleichheit. »Der Zugang zu Grund und Boden ist ein historisches Problem, aber es hat sich mit der Zunahme des Sojaanbaus weiter verschärft«, schreibt die Menschenrechtsorganisation auf ihrer Internetseite. Der Anstieg der Bodenpreise treibe viele kleinbäuerliche Familien in Armut und Hunger, da sie die Grundstückspreise von 10000 Dollar und mehr pro Hektar nicht mehr aufbringen können.

Die wachsende Unzufriedenheit der Menschen in Paraguay hat dazu geführt, daß am 26. März ein landesweiter Generalstreik gegen Präsident Horacio Cartes und dessen rechte, seit sieben Monaten regierende Colorado-Partei stattfinden soll. Ein Hintergrund der angekündigten Proteste ist die vom Staatschef groß angekündigte Kampagne des INDERT, privat genutzte Staatsgrundstücke wieder in öffentliches Eigentum zurückzuholen. Denn mit dieser »Operativo Rojevy« hat die Regierung nicht den Großgrundbesitzern den Kampf angesagt, kritisieren Bauernverbände. Statt dessen habe sich eine regelrechte »Hexenjagd« auf arme, landlose Bauern entwickelt, die sich auf öffentlichen Grundstücken niedergelassen haben. Durch den Generalstreik am 26. März sollen ein Ende der Verfolgungen sowie eine Erhöhung des Mindestlohns um 25 Prozent erreicht werden. Außerdem richtet sich der Protest gegen ein gerade erlassenes Gesetz zur »Public Private Partnership«, durch das bislang öffentliche Dienstleistungen für vier Jahrzehnte an private Unternehmen übertragen werden sollen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 19. März 2014


Zurück zur Paraguay-Seite

Zur Paraguay-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage