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Peru blockt ab

Exdiktator Bermúdez wird nicht an Argentinien ausgeliefert

Von Anne Grit Bernhardt, Cajamarca *

Die 1975 in Peru geborene Carla Artés, die heute die spanische und argentinische Staatsangehörigkeit besitzt, will den peruanischen Staat wegen dessen mutmaßlicher Unterstützung des »Plans Condor« verklagen. Das berichtete am Montag (27. Feb.) der Rundfunksender RPP. Lima habe Informationen unterschlagen, die es über das Schicksal von Artés’ Eltern besitze. Im Alter von neun Monaten sei Carla mit ihrer Mutter aus Peru nach Bolivien entführt worden, wo diese brutal gefoltert worden sei. Der Auftrag zu diesem Verbrechen sei vom damaligen argentinischen Diktator Jorge Rafael Videla gekommen. Mit ihrer Klage reagiert Artés auf die Entscheidung eines Gerichts in Lima, das in der vergangenen Woche die Auslieferung des früheren peruanischen Machthabers Francisco Morales Bermúdez an Argentinien abgelehnt hatte.

Buenos Aires wirft Bermúdez vor, im Mai 1978 argentinische Oppositionelle entführt und an die argentinische Militärjunta ausgeliefert zu haben. Damit sei Peru Teil des »Plans Condor« gewesen. Unter diesem Namen hatten in den 70er Jahren die verschiedenen Diktaturen Südamerikas bei der Entführung, Folterung und Ermordung von Regimegegnern zusammengearbeitet. Peru bestreitet bis heute, jemals an diesen Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Zeugen belasten hingegen Bermúdez, der die Militärregierung in Lima von 1975 bis 1980 führte. So berichtet der peruanische Kongreßabgeordnete Javier Diez Canseco in der Tageszeitung La República: »Am 25. Mai 1978 wurden 13 Peruaner im Flughafen von Jujuy (Argentinien) abgeladen. Darunter waren Napurí, Hugo Blanco, Ricardo Letts, Ledesma und ich. Ohne Dokumente, Kleidung oder Geld. Die Regierung von Francisco Morales Bermúdez lieferte uns der argentinischen Diktatur aus. Wir wurden in Armeewagen zum Armeequartier Montaña Nr. 20 von Jujuy gebracht und eingesperrt. Etwas später wurden wir nach Buenos Aires deportiert und in Einzelhaft genommen. Wir hörten, wie sie unsere Zellennachbarn folterten. Wir Deportierten waren in der Mehrheit linke Kandidaten für die Verfassunggebende Versammlung. Zum Glück wurde unsere Entführung öffentlich bekannt. Das hat uns wohl das Leben gerettet.«

Der argentinische Richter Norberto Oyarbide erließ deshalb Haftbefehl gegen Bermúdez und beantragte in Lima dessen Überstellung. Schon im Jahr 2007 hatte auch die italienische Justiz einen Auslieferungsantrag gegen Bermúdez wegen des »Verschwindenlassens« von 25 Italienern in den 70er und 80er Jahren gestellt.

Bermúdez beharrt indessen auf seiner Unschuld. Gegenüber peruanischen Medien erklärte er, die festgenommenen Personen hätten »die öffentliche Ordnung gestört«. Später seien sie wieder zurückgekommen. »Es wurde auf sie aufgepaßt, damit sie an der Verfassunggebenden Versammlung teilnehmen konnten.«

Treue Freunde hat der Exdiktator offenbar bis heute im peruanischen Staatsapparat. Trotz der zahlreichen Beweise gegen ihn teilte die Regierung Richter Oyarbide mit, daß sie eine Auslieferung von Bermúdez für »nicht angebracht« halte. Auch wenn das endgültige Nein durch das peruanische Justizministerium noch aussteht, wird der inzwischen 90 Jahre alte General Bermúdez wohl weiter seine gute Rente genießen.

* Aus: junge Welt, 29. Februar 2012


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