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García sucht neuen Sündenbock

Lima: Kampagne gegen Morales. Regierung erklärt Boliviens Präsident zum "Feind Perus"

Von Benjamin Beutler *

Die peruanische Regierung um Alan García sucht nach einem neuen Sündenbock. Die bisherige Taktik, die Schuld für die Eskalierung der Gewalt rund um die Auseinandersetzung um die beiden sogenannten Amazonas-Dekrete den protesierenden Indigenen-Verbänden zuzuschreiben, ist gescheitert. Am 18. Juni sah sich die Regierung aufgrund des zunehmenden öffentlichen Drucks gezwungen, die beiden Dekrete aufzuheben. Zwei Tage zuvor hatte bereits Premierminister Yehude Simon angekündigt, die Regierung verlassen zu wollen. Damit reagierte er nach eigenem Bekunden auf die blutigen Auseinandersetzungen in der Ortschaft Bagua im Norden des Landes. Bei der gewaltsamen Auflösung einer Straßenblockade der Indígenas durch Sicherheitskräfte starben mehr als 40 Demonstranten und rund 20 Polizisten.

Nun soll die Nachbarrepublik Bolivien als Sündenbock herhalten. Ständig würde sich Bolivien als »direkter Konkurrent Perus« in innere Angelegenheiten einmischen, so Präsident García. Perus Außenminister José Antonio García Belaúnde legte nach: Kritik aus La Paz am Freihandelsvertrag Perus mit den USA, Einzelgängen in Wirtschaftsfragen mit der Europäischen Union außerhalb des Andenpakts und an anderen »Fragen zur Verteidigung nationaler Interessen« würde Morales einen »ideologischen Schleier« verleihen. In Wahrheit sei der Chef der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) allein von »antiperuanischem Groll« geleitet.

Schon kurz nach dem harten Durchgreifen gegen eine Straßenblockade im Bagua war es zwischen der Linksregierung in La Paz und der neoliberalen García-Administration zu Unstimmigkeiten gekommen. Belaúnde titulierte Boliviens Präsidenten Evo Morales als direkten »Feind Perus«. Mit »messianischem Eifer« habe der bolivianische Präsident in Peru einen Bürgerkrieg entfesseln wollen. Morales hatte zuvor das blutige Vorgehen gegen die Regierungsgegner in Bagua als »Freihandels-Genozid« bezeichnet. Boliviens Rechte, die wenige Monate vor den Dezember-Wahlen einer Wiederwahl von Morales chancenlos gegenübersteht, wittert nach der Schützenhilfe aus Lima wieder Morgenluft. »Es kann nicht sein, daß der Staatschef Äußerungen macht, die Bolivien nicht zugute kommen und den internationalen Beziehungen Schaden zufügen«, schlägt Michiaki Nagatani von der ultrarechten »Revolutionären Nationalbewegung« in dieselbe Kerbe. Als Vorsitzender der Senatskommission für internationale Beziehungen werde er kommende Woche mit einer Handvoll Oppositionspolitikern nach Lima reisen. Man stehe »kurz vorm Abbruch der diplomatischen Beziehungen«, übertreibt auch Tito Hoz de Vila, Präsident des von der Opposition kontrollierten Senats.

* Aus: junge Welt, 26. Juni 2009


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