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"Wir wollen einfach, daß sie uns in Ruhe lassen!"

Indigene Gemeinden in Peru wehren sich gegen den Bau eines riesigen Gold- und Silberbergwerks. Ein Gespräch mit Pablo Salas *


Der Peruaner Pablo Salas ist Angehöriger des Volkes der Quechua. Er hat am Wochenende in ­Cajamarca an der »Nationalen Versammlung der Völker« teilgenommen – Thema: Der Widerstand gegen das Bergbauprojekt Minas Conga.


Am Wochenende hat sich in der peruanischen Stadt Cajamarca die »Nationale Versammlung der Völker« getroffen. Sie haben über den Widerstand gegen das Bergbauprojekt Minas Conga beraten – wie geht es weiter?

Diese Versammlung ist eine sehr gute Initiative, sie ist offen für alle, die die Probleme unseres Landes lösen wollen. Auf längere Sicht muß sie eine Institution werden, ein Volksrat also, der Lösungsvorschläge erarbeitet.

Denken Sie, daß die Bewohner der Region Cajamarca verhindern können, daß auf ihrem Territorium ein riesiges Gold- und Kupferbergwerk entstehen soll? Immerhin fürchten Sie, daß dieses Vorhaben Ihre Wasservorräte gefährdet.

Wenn wir landesweite Unterstützung erhalten, können wir durchaus gewinnen. Es muß verhindert werden, daß Minas Conga gebaut wird – schließlich können wir weder Gold nach Kupfer oder Erdöl leben. Wir brauchen Obst und Gemüse, Kartoffeln und Wasser – wir alle leben von dem, was uns Mutter Erde gibt.

Sie vertreten die CONACAMI – welche Ziele verfolgt sie?

Die Abkürzung steht für »Coordinación Nacional de Comunidades del Perú Afectadas por la Minería« (Nationale Koordination vom Bergbau betroffener Gemeinden Perus) – das ist eine autonome und von Parteien oder Gewerkschaften unabhängige Organisation. Sie setzt sich für die Verteidigung unseres Territoriums, die Rechte der indigenen Völker und den Schutz der Umwelt ein.

Die peruanische Regierung hat vor wenigen Monaten ein Gesetz erwirkt, das bei Großprojekten die vorherige Befragung der betroffenen indigenen Einwohner vorschreibt. Entspricht es Ihren Vorstellungen?

Die UN-Konvention 169 schreibt eine solche Befragung zwar vor – jeder einzelne Staat entscheidet jedoch für sich, wie er das in die Rechtspraxis umsetzt. Auch Peru hat sich für ein solches Gesetz entschieden, es ist jedoch vom Staat gemacht, nicht vom Volk. Es enhält viele Artikel, die die Rechte der indigenen Gemeinden verletzen. Eine Stellungnahme dazu, die die CONACAMI an den Kongreß geschickt hatte, wurde bisher nicht beachtet. Die Regierung denkt offensichtlich nicht daran, das Gesetz zu ändern.

Welche Rechte werden denn verletzt?

Zunächst geht es uns um Artikel sieben, der festlegt, wer indigen ist und wer nicht. Es geht doch nicht an, daß der Staat das von oben her verfügt – wir Quechua sind immerhin ein uraltes Volk, das es schon lange vor Gründung der Republik Peru gab. Wir wissen selbst, wer indigen ist.

Mit Artikel 15 sind wir ebenso wenig einverstanden, er muß komplett gestrichen werden. Denn er besagt, daß in einem Konflikt zwischen einer Firma und einer indigenen Gemeinde der Staat das letzte Wort hat. Das läuft darauf hinaus, daß die Gemeinde zwar befragt wird, ihre Meinung aber keinen Einfluß auf die Entscheidung hat.

Dabei geht es vor allem um Bergbau- und Erdölprojekte, um Megavorhaben also. Darüber müssen letztlich die Menschen entscheiden, die auf diesem Territorium wohnen - wir wollen nicht, das transnationale Konzerne kommen, uns ein paar Kleinigkeiten schenken und dann unser Land zerstören. Wir sind die Herren über die Ressourcen, es ist unser Territorium, und wir wollen entscheiden, was wir damit machen wollen! Wir haben diesen Firmen nichts getan und wollen einfach, daß sie uns in Ruhe lassen.

Stimmt es, daß es auf Grundlage des erwähnten Gesetzes keinen Anspruch darauf gibt, daß die Bevölkerung von Cajamarca gefragt wird?

Der Gesetzestext ist so formuliert, daß es in Cajamarca gar keine indigenen Gemeinden gibt. Unsere traditionellen Bauerngemeinden haben gemäß Artikel 2 keinen Anspruch auf Befragung.

Die Regierung steht eben an der Seite der transnationalen Unternehmen. Wenn jemand gegen diese protestiert, werden Polizisten oder Soldaten geschickt. Die transnationalen Unternehmen, wie Yanacocha hier in Cajamarca, haben auch die Unterstützung von Richtern und Staatsanwälten. Protestierende werden dann einfach angeklagt und ins Gefängnis gesteckt. Oder sie werden erschossen.

Interview: Anne Grit Bernhardt, Cajamarca

* Aus: junge Welt, Dienstag, 3. April 2012


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