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Die Kennedys von Peru

Isaac Humala: Ein Sohn sitzt im Gefängnis, ein anderer im Präsidentenpalast

Von Marie Sanz, AFP *

Einer seiner Söhne ist Präsident Perus, der andere sitzt wegen eines Aufstands im Gefängnis. »Das sind zwei Gründe, stolz zu sein«, sagt Isaac Humala, Patriarch eines Clans ähnlich den Kennedys in den USA. Sieben Kinder zog er in seinem großen Haus in Surco, einem angesagten Vorort der Hauptstadt Lima auf, stets mit Blick auf eine spätere Verantwortung für das Land und inspiriert von den Überlieferungen des Inka-Reichs. Da gab es auch ein streitendes Brüderpaar wie Kain und Abel in der Bibel; sie hießen Atahualpa und Huascar.

Der 82jährige, den alle nur Don Isaac nennen, spricht zuerst von seinem inhaftierten Sohn Antauro. Der Bruder von Staatschef Ollanta Humala verbüßt eine 19jährige Haftstrafe in einem Hochsicherheitsgefängnis, weil er 2005 an einem Aufstand gegen den damaligen Präsidenten Alejandro Toledo beteiligt war. Sechs Menschen, darunter vier Polizisten, waren dabei getötet worden. Die Aufständischen standen der Ideologie des »Etnocacerismus« nahe, als deren Begründer Isaac Humala gilt. Dieser geht davon aus, daß die Menschheit in vier »Rassen« aufgeteilt ist: die weiße, gelbe, schwarze und bronzene. Während die ersten drei jeweils Teile des Planeten regieren, seien die »Bronzenen« – die amerikanischen Indígenas – davon ausgeschlossen. Diese jedoch sollten die Macht in Lateinamerika übernehmen und in der Tradition der alten Reiche wie etwa dem der Inka über die Weißen und Schwarzen herrschen.

»Wir haben für Peru erträumt, daß Ollanta alles zum Guten wenden sollte, und daß es im Falle seines Scheiterns noch Antauro geben solle, « hatte Don Isaac alles geplant. Auch wenn Antauro nun im Gefängnis sitze, könne er immer noch seinen Bruder beerben. »Man kann von der Gefängniszelle ins Präsidentenamt wechseln«, zeigt sich der Vater überzeugt. Allerdings sei Ollanta dafür verantwortlich, daß sein Bruder sogar in einem Hochsicherheitsgefängnis sitze, klagt der Vater, der Antauro als Anwalt vertritt.

Isaac Humala hat seinen Kindern Quechua-Namen gegeben. Dessenungeachtet sorgte der Patriarch dafür, daß der Nachwuchs Fremdsprachen lernte und ins Ausland ging, »um zurückzukommen und das Land zu verändern«. Ollanta besuchte ein japanisches Gymnasium, Antauro die französische Schule. Am Eßtisch ermunterte Don Isaac seine Kinder, offen ihre Meinung zu äußern und sich mit anderen Standpunkten auseinanderzusetzen.

Von der Politik, die Ollanta als Präsident macht, ist Don Isaac enttäuscht. Sein Sohn, der vor einem Jahr mit Unterstützung der peruanischen Linken sein Amt antrat, sei nach rechts gedriftet, beklagt er. Viele Peruaner teilen diese Meinung: die Zustimmung für Ollanta, der im vergangenen Jahr mit 51 Prozent der Stimmen gewählt wurde, lag Ende Juli nur noch bei 36 Prozent. Sein Sohn habe sich von denen getrennt, die ihn auf dem Weg ins Amt begleitet hätten, kritisiert Don Isaac. »Ich hatte gehofft, an seiner Seite zu sein, wir waren darauf vorbereitet.« Die Beziehung zu Ollanta, den er zuletzt bei dessen 50. Geburtstag Ende Juni sah, sei »angespannt«. Dennoch hängt in Don Isaacs Wohnzimmer ein einziges Foto in schwarzweiß: es zeigt Ollanta und seinen Vater am Tag der Präsidentenwahl. »Ich möchte ihm bestimmte Dinge sagen, aber er will nicht in Frage gestellt werden. Er will nicht, daß ich ihm widerspreche«, klagt der Patriarch. »Wir haben uns stillschweigend darauf geeinigt, nicht mehr über Politik zu sprechen.«

* Aus: junge Welt, Freitag, 24. August 2012


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