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"Die Bedrohung in Peru dauert an"

Die Regierung von Alan García setzt im Konflikt mit indigenen Einwohnern auf Repression *

Paul McAuley ist katholischer Priester irischer Herkunft.



ND: Die Bewegung der Ureinwohner hat vor rund zwei Monaten aus Protest gegen zehn neoliberale Gesetze begonnen. Zwei wurden am Freitag aufgehoben. Ein Erfolg?

Die Rücknahme zweier Gesetze ist nahezu unbedeutend. Mit dieser Entscheidung werden zwar zwei der Vergehen gegen die indigenen Gruppen und die Landbevölkerung korrigiert. Aber was ist mit den übrigen umstrittenen Dekreten? Und was wird mit den 44 Artikeln des Abkommens 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) geschehen, das von Peru schon 1994 ratifiziert wurde? Die Rücknahme der beiden illegalen Gesetze ist meiner Meinung nach nicht mehr als eine Geste. Es kann nur der Anfang einer grundsätzlicheren politischen Kurskorrektur sein. Und diese Änderung ist dringend notwendig, denn die Indigenen haben gemerkt, dass sie wichtige politische Akteure sind. Sie werden für die Zukunft des Landes entscheidend sein auch wenn die Regierung von Alan García sich dessen noch nicht bewusst ist.

Stehen die Gesetze in einem direkten Zusammenhang zum geplanten Freihandelsabkommen mit den USA?

In der Tat haben die letzten Führungen in Lima mit allen Mitteln versucht, die natürlichen Ressourcen im Urwald der Amazonasregion zu privatisieren. Die aktuelle Regierung von Alan García stellt keine Ausnahme dar. Es geht bei den umkämpften Gesetzen darum, die Bedürfnisse der transnationalen Konzerne zu befriedigen. Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA soll die juristische Grundlage dafür bieten. Hinter dieser Entwicklung stehen ebenso peruanische Akteure wie die Grupo Romero. Auch in Peru gibt es Bestrebungen, den Urwald abzuholzen, um Monokulturen zur Produktion von so genanntem Agrartreibstoff anzulegen. Dies würde nicht nur das Ökosystem im Amazonas zerstören, sondern auch die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung und der hiesigen Landarbeiter.

Bei Demonstrationen im Juni kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Haben Sie genaue Opferzahlen?

Nein, mit Sicherheit können wir noch immer nicht sagen, wie viele Menschen bei den Protesten getötet wurden. Einige Berichte aus der Region Marañon geben 112 Opfer der Polizeiübergriffe an. Wir wissen, dass viele Familien Angehörige vermissen. Es ist nicht übertrieben, wenn ich von mehreren hundert Personen spreche.

Gab es denn weitere Übergriffe?

Nein, aber die Bedrohung dauert an. Uns macht das Vorgehen von Polizei und Militär Sorgen. Diese bewaffneten Kräfte dringen immer wieder in indigene Gemeinden ein, um die Menschen einzuschüchtern. Außerdem kann die Presse nach wie vor nicht frei berichten. Das ist eine Folge des weiter bestehenden Ausnahmezustandes. Die Aussetzung der Grund- und Bürgerrechte erschwert nicht nur die Arbeit der Presse, sondern auch die Suche nach den Überresten der Getöteten.

Welche politischen Auswirkungen werden die Übergriffe haben?

Diese Bluttat wird die Fronten weiter verhärten. Die Menschen hier haben bis zuletzt an eine Verhandlungslösung mit der Regierung von Präsident Alan García geglaubt. Aber vor allem die Jugendlichen aus dem Gemeinden werden deren Antwort nie vergessen: Dass eine Regierung angesichts legitimer Forderungen Polizei und Armee entsendet und das Feuer eröffnen lässt.

Im Zusammenhang mit den Protesten kam es zu Spannungen zwischen Peru und den linksgerichteten Staatsführungen von Venezuela und Bolivien. Sie, so hieß es, sollen die Proteste gefördert haben.

Es ist doch nur verständlich, wenn es zu einem solchen Konflikt zwischen der Regierung Perus und anderen Staatsführungen kommt, die den indigenen Volksgruppen ihre Rechte zugestehen.

Auch Sie selbst sind ins Visier geraten.

Ja, eine Regionalzeitung veröffentlichte unlängst Fotos von mir und dem spanischen Aktivisten Pepe Alvarez auf der Titelseite mit der Überschrift »Weiße Terroristen«. Das war nicht der erste Angriff auf uns. Ebenso wie die Attacken auf Venezuela und Bolivien zeigt eine solche Vorgehensweise nur, dass die Regierung in Lima und ihre regionalen Verbündeten zusehends in Bedrängnis kommen.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Juni 2009


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