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Angst vor neuem Krieg

Peru: Der "Leuchtende Pfad" macht wieder von sich reden. Politik spielt kaum noch eine Rolle

Von Anne Grit Bernhardt, Cajamarca *

Nach den jüngsten Zusammenstößen zwischen dem Militär und Einheiten der Guerillaorganisation »Leuchtender Pfad« befürchtet eine Mehrheit der Peruaner ein Wiedererstarken des Terrorismus. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der staatliche Rundfunk RPP am Sonntag verbreitete. Eigentlich galt die Organisation als weitgehend aufgerieben und intern zerstritten, doch die fast eine Woche dauernde Entführung von 36 Bauarbeitern am 10. April hat die anhaltende Präsenz des maoistischen Zusammenschlusses schlagartig zurück in das öffentliche Bewußtsein gebracht.

Der »Leuchtende Pfad«, der sich offiziell »Kommunistische Partei Perus – auf dem Leuchtenden Weg José Carlos Mariáteguis« genannt hatte, war in den 60er Jahren im Hochlanddepartement Ayacucho gegründet worden. Ihr Gründer und politischer Führer war der Universitätsprofessor Abimael Guzmán, den die maoistische Organisation in einem ausufernden Personenkult als »Presidente Gonzalo« feierte. Ab 1980 führte der »Leuchtende Pfad« einen bewaffneten Kampf, für den sie sich zunächst auf Rückhalt in der verarmten und von der peruanischen Gesellschaft rassistisch ausgegrenzten Landbevölkerung stützen konnte. Wegen der Brutalität der Guerilla, die sich nicht nur gegen Militärs und Repräsentanten des Staates, sondern auch gegen Gewerkschafter und andere Linke richtete, wandte sich die Bevölkerung jedoch zunehmend von den Aufständischen ab. Zugleich entfesselte das Militär einen blutigen Krieg gegen die Aufständischen. Ganze Dörfer wurden dadurch ausgerottet.

Nach dem »Selbstputsch« von Staatschef Alberto Fujimori im Jahr 1992 veränderte das Militär seine Strategie gegen die Guerilla. Bauern wurden bewaffnet und »Selbstverteidigungskomitees« gegründet, die in den Anden teilweise bis heute existieren. Gleichzeitig schickte der Geheimdienst Todesschwadronen durch die Städte, um vermeintliche Terroristen »verschwinden« zu lassen. Im September desselben Jahres wurden Abimael Guzmán und andere führende Mitglieder der Guerilla verhaftet, während das Regime zahlreiche Kämpfer durch ein »Reuegesetz« zur Abgabe der Waffen bewegen konnte. Damit verlor der »Leuchtende Pfad« seine Schlagkraft und löste sich in den meisten Regionen des Landes auf. Kleinere Splittergruppen mit einigen Hundert Kämpfern zogen sich in die unzugänglichen Regenwaldregionen des Landes zurück. Ihre ursprünglichen politischen Ziele spielen inzwischen offensichtlich kaum noch eine Rolle, sie widmen sich nun vor allem dem Drogenhandel und anderen kriminellen Aktivitäten.

Die peruanische Armee spricht offiziell noch von zehn kleinen ­Guerillazellen, die regelmäßig Anschläge auf Militärpatrouillen verüben und für die Erpressung lokaler Firmen und den Schutz der Drogenhändler verantwortlich sind. Seit Jahren versucht die peruanische Regierung, diese Splittergruppen endgültig zu zerschlagen. Nach der Freilassung der entführten Bauarbeiter am 14. April ordnete Präsident Ollanta Humala deshalb an, die Jagd auf die Aufständischen zu verstärken. 1200 Soldaten suchen in dem Gebiet rund um Kepashiato nach insgesamt rund 150 Bewaffneten. Diese spielen Katz und Maus mit der Armee, sie kennen den Regenwald besser als die Soldaten aus Lima. Zudem haben sie die betroffene Region mit Minen verseucht. Entlang zahlreicher Trampelpfade finden sich blutige Militärhosen als Warnung an die Soldaten. Opfer der Kämpfe sind wieder die Einheimischen. Zahlreiche Familien haben ihre Heimat bereits verlassen und suchen Schutz in sichereren Regionen.

* Aus: junge welt, Dienstag, 24. April 2012


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