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Keine Hoffnung auf Veränderung

Wenig Interesse an Präsidentschaftswahlkampf in Peru. Altbekannte machen Rennen unter sich aus

Von Simon Heller, Lima *

Ganz Peru scheint im Wahlkampf begriffen. Bei den Wahlen am 10. April wird mit einer hohen Wahlbeteiligung der knapp 30 Millionen Peruaner gerechnet. Dies liegt allerdings vor allem daran, daß in Peru Wahlpflicht herrscht. Wer nicht wählen geht, muß je nach Region zwischen fünf und 50 Euro Strafe bezahlen. Ein wirkliches Interesse an den Wahlen besteht allerdings auch in der Hauptstadt Lima, in der ungefähr ein Drittel der Wahlberechtigen lebt, nicht, denn der Frust der peruanischen Bevölkerung über die etablierten Parteien ist groß.

Die neoliberale Regierungszeit von Staatschef Alan García, der nicht wieder kandidieren darf, brachte diverse Korruptionsskandale mit sich. Der Präsident verteilte Konzessionen zur Ausbeutung der Bodenschätze an ausländische Firmen und zog, anders als vor seiner Wahl versprochen, das von seinem Amtsvorgänger Alejandro Toledo unterschriebene Freihandelsabkommen mit den USA nicht zurück. Auf Garcías Konto gehen auch über 80 Todesopfer durch die staatliche Repression sozialer Bewegungen, unter anderem ein Massaker an indigenen Demonstranten und Polizisten in Bagua im Juni 2009. Entsprechend unbeliebt ist seine APRA-Partei, die bei jüngsten Umfragen nur noch ganze sechs Prozent der Stimmen erhielt. Allerdings gibt es kaum Alternativen. Kaum eine Partei hat ein wirkliches Programm. die meisten definieren sich nur über ihre Kandidaten. Lucho Castañeda von der christdemokratischen »Partei der nationalen Solidarität« (PSN) war jahrelang Bürgermeister der Hauptstadt Lima und wirbt nun damit, Peru nach deren Vorbild zu reformieren. Dort hatte er unter anderem die Grundversorgungssysteme privatisiert und für eine Verschlimmerung des Verkehrsproblems gesorgt. Umfragen sprechen ihm ein Wahlergebnis von 21 bis 25 Prozent zu. Damit ist er schärfster Gegner von Alejandro Toledo von der rechts-liberalen »Perú Posible«, der das Land bereits von 2001 bis 2006 regiert hatte. Damals hatten nach zehn Jahren Diktatur viele Peruaner große Hoffnungen auf ihn gesetzt, allerdings pflegte er vor allem gute Kontakte zu George W. Bush und sorgte für die Zerstörung großer Teile des peruanischen Urwalds. Dennoch erhielt er in den letzten Umfragen eine Mehrheit der Stimmen, zwischen 23 und 29 Prozent. Hoffnungen macht sich jedoch auch Keiko Fujimori, die Tochter des von 1990 bis 2000 diktatorisch herrschenden Alberto Fujimori. Sie hat extra zur Wahl die Partei »Fuerza 2011« gegründet und wirbt hauptsächlich damit, ihren wegen mehrerer Massaker inhaftierten Vater aus dem Gefängnis zu holen. Ungeachtet dessen sprachen ihr Umfragen im Dezember 17 bis 22 Prozent aller Stimmen zu.

Die Linke des Landes ist zerstritten und gespalten. Während Parteien wie die »Bewegung Neue Linke« und die Kommunistische Partei keine eigenen Kandidaten zur Wahl aufgestellt haben, konnte sich auch der lange Zeit von Basisgruppen, Gewerkschaften, indigenen Organisationen und anderen linken Gruppierungen favorisierte Alberto Pizango letztlich nicht zu einer Kandidatur entschließen. Der frühere Militär Ollanta Humala und seine Nationalistische Partei scheinen noch am ehesten Aussicht auf einen Erfolg bei den Wahlen zu haben. Ollantas Rolle ist jedoch umstritten. Linke Gruppen kritisieren ihn als neoliberal, pro-systemisch und vor allem extrem nationalistisch. In den letzten Umfragen lag er bei etwa zehn Prozent der Stimmen. Ein Wechsel in der Politik des Landes ist somit nicht absehbar.

Unterdessen ist auch in Peru das Phänomen der Spaßparteien angekommen. Der Autor Niko Chiesa nutzt den allgegenwärtigen Wahlkampf, um seinen Roman »Gaston Presidente« über die fiktive Kandidatur eines Starkochs zu bewerben.

* Aus: junge Welt, 19. Januar 2011


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