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Totenkränze für Reporter

Angezapfte Telefone und bedrohte Journalisten. Im Präsidentschaftswahlkampf erinnert einiges an Perus blutige 90er Jahre

Von Johannes Schulten *

In Peru scheint sich die Zeit zu wiederholen. Es ist noch nicht lange her, als Journalisten, Oppositionspolitiker und all jene, die über Korruption und Menschenrechtsverletzungen während der Präsidentschaft von Alberto Fujimori zwischen 1990 und 2000 berichteten, um ihr Leben fürchten mußten. Viele erhielten damals schwarze Totenkränze als letzte Warnung. Zwei peruanische Journalisten der Tageszeitung La Primera dürften sich Ende der vergangenen Woche zurück in die 90er Jahre versetzt gefühlt haben. Sowohl den Chefredakteur des Blattes, Cesar Lévano, als auch dessen Geschäftsführer Arturo Belaúnde erreichten am Freitag solche Kränze. Darauf fanden sie wenig mißverständlich ihre Namen, versehen mit den Buchstaben QDEP (spanisch für »Ruhe in Frieden«). Um klarzumachen, daß es sich nicht um einen makabren Scherz gehandelt hat, gingen zusätzlich telefonische Morddrohungen in der Redaktion ein.

In Peru ist Wahlkampf. Am 5. Juni wird darüber abgestimmt, ob zukünftig Fujimoris Tochter, Keiko Fujimori, oder der Linksnationalist Ollanta Humala das Land für die nächsten fünf Jahre regieren werden. Beide hatten sich überraschend in der ersten Runde am 10. April für die Stichwahl qualifiziert.

Es sind nicht nur die bedrohten Journalisten, die dieser Tage Erinnerungen an die 90er Jahre hochkommen lassen. Auch dem mysteriösen »Plan Sábana«, über den La Primera in den vergangenen Wochen wiederholt berichtete, hängt einiges der als »Scheindemokratie« bekannten Zeit an. Es geht um Telefonbespitzelungen durch private Sicherheitsunternehmen und alte Geheimdienstseilschaften, Verwicklungen hoher Politiker sowie Fujimori-naher Wirtschaftsgruppen. Der scheidende sozialdemokratische Präsident Alain García höchstpersönlich soll über Jahre kompromittierendes Material über Ollanta gesammelt haben und damit die Presse füttern. García hatte 2006 Ollanta in Stichwahlen besiegt und macht keinen Hehl aus seiner Unterstützung für Fujimori.

Für Chefredakteur Lévano besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Berichterstattung seiner Zeitung und den Totenkränzen. »Diese Drohungen waren durch unsere Artikel und unsere Enthüllungen über den ›Plan Sábana‹ motiviert. Sie wollen nicht nur uns bedrohen, sondern auch unsere Quellen«, wird er am Sonntag in der argentinischen Tageszeitung página 12 zitiert.

Zudem verdichten sich die Gerüchte über ein politisches Comeback des inhaftierten Alberto Fujimori nach den Wahlen. Der Expräsident sitzt momentan wegen 25fachen Mordes, schwerer Korruption und Folter in einer Art Luxusgefängnis. Aktive Politik ist ihm verboten. Hinter vorgehaltener Hand wird schon lange geunkt, die Kandidatur seiner Tochter diene dem alleinigen Ziel, ihn wieder freizulassen. Daß dieser im Hintergrund die Strippen zieht, gilt jedenfalls als unbestritten. Wie die Tageszeitung La República berichtete, fungiert sein Gefängnisdomizil schon lange als Wahlkampfzentrale. Zwischen dem 8. April und dem 12. Mai will die Zeitung 143 Fahrzeuge und einen Troß von Mitarbeitern seiner Tochter bei ihm gesichtet haben.

Der scheinen die Verdächtigungen nicht zu schaden. Im Gegenteil, nach anfänglichem Rückstand in den Meinungsumfragen sieht aktuell alles nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Das Institut Imasen sieht Humala mit 41,6 Prozent vor Fujimori mit 39,7 Prozent. Bei Ipsos Apoy führt Fujimori wiederum mit 43,9 vor Humala mit 42 Prozent.

Weiteren Auftrieb dürfte Keiko Fujimori vergangenen am Wochenende bekommen haben, als sie in Lima keinen geringeren als New Yorks ehemaligen Bürgermeister Rudolph Giuliani als neuen sicherheitspolitischen Berater präsentierte. Der 66jährige Republikaner rühmt sich mit einer »Null-Toleranz-Politik«, die Kriminalität in seiner Heimatstadt erheblich reduziert zu haben.

* Aus: junge Welt, 19. Mai 2011


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