Cory, Gloria und Cha Cha
Das Vermächtnis Corazon Aquinos
Von Michael Lenz *
Am heutigen Mittwoch (5. August) wird Corazon Aquino, die am vergangenen Sonnabend im Alter von 76 Jahren verstorbene ehemalige Präsidentin der Philippinen, an der Seite ihres Mannes Benigno
beigesetzt. Die Regierung hat den Mittwoch zum arbeitsfreien Tag erklärt. Dabei hatte die Verstorbene ein durchaus kritisches Verhältnis zu ihren Nachfolgern.
»Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, Schmerzen und Trauer zu ertragen. Aber es gibt wohl nichts,
was mir größere Schmerzen verursacht, als zu erleben, dass unser Volk wieder und wieder von
denen betrogen wird, die gewählt worden sind, um zu dienen. Für alle von uns, die wir lange und
hart für die Demokratie gekämpft haben, geht der Schmerz umso tiefer, weil alles, was wir
gewonnen hatten so schnell wieder zerronnen ist.«
Das ist das politische Vermächtnis Corazon Aquinos. Es waren »Corys« Gradlinigkeit und
Ehrlichkeit, über die der damalige Diktator Ferdinand Marcos und sein korruptes Regime 1986
stürzten. Den bitteren Vorwurf des Betrugs und des Machtmissbrauchs aber richtete Aquino nur vier
Wochen vor ihrem Tod an die gegenwärtige Staatspräsidentin Gloria Arroyo.
Mitte Juni demonstrierten in Manilas Banken- und Geschäftsviertel Makati Zehntausende gegen
»Cha Cha«, wie die Filipinos mit ihrem Hang zu Abkürzungen die von Arroyo beabsichtigte »Charter
Change« (Verfassungsänderung) nennen. Die Opposition, die machtvolle katholische Kirche,
Medien, Gewerkschaften und die Mehrheit des Volkes haben Arroyo im Verdacht, sie wolle durch
Cha Cha ihre Amtszeit verlängern, um Ermittlungen wegen Korruption und Machtmissbrauchs zu
verhindern und die Macht der korrupten Oligarchien zu bewahren. Bei den Wahlen im kommenden
Jahr kann Arroyo nach geltender Verfassung nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren.
Die Sorge um die Manipulation des politischen Systems war es, die »Cory« Aquino bewog, von
ihrem Sterbebett aus jene Grußbotschaft an die Cha-Cha-Gegner zu schreiben. Ihr Enkel Kiko Dee
verlas sie bei der Massenkundgebung auf den Straßen von Makati.
Corazon Aquino war seit 2005, als offensichtlich wurde, dass Arroyo nur durch Wahlbetrug eine
zweite Amtszeit gewonnen hatte, eine entschiedene Gegnerin der Staatspräsidentin. Dezidiert
lehnte die Familie Aquino jetzt das von Arroyo angebotene Staatsbegräbnis für Corazon ab. Ihre
Mutter solle vom Volk geehrt werden, nicht vom Malacañang-Palast (Amtssitz der Präsidentin),
sagte Aquinos jüngste Tochter. Gleichzeitig bedankte sie sich bei der Familie Marcos, den
Erzfeinden der Aquinos, für die »ehrliche Anteilnahme« am Tode ihrer Mutter. Das war eine weitere
Ohrfeige für Arroyo, auch wenn die Aquinos eine Versöhnung mit dem Marcos-Clan, der die
Verantwortung an der Ermordung von Aquinos Ehemann Benigno »Ninoy« Aquino im Jahre 1983
trägt, ablehnen.
Der Malacañang-Palast reagierte auf die Ablehnung auf seine Art. Während Hunderttausende den
sterblichen Überresten Aquinos bei der Überführung in die Kathedrale von Manila das Geleit gaben,
sendeten staatliche Fernsehanstalten Wiederholungen von Arroyos Rede zur Lage der Nation vom
27. Juli. »Genauso hat sich Marcos damals verhalten«, sagte Cesar Buenaventura, Präsident der
Aquino-Stiftung und einer der Mitstreiter Corazons im Kampf gegen Marcos, gegenüber
Journalisten.
Auch die Aufbahrung der Leiche Aquinos in der Kathedrale von Manila ist eine politische
Demonstration. Nie zuvor wurde einer weltlichen Person diese Ehre zuteil. Beobachter vermuten, die
Kirche wolle damit das enge Band betonen, das Cory Aquino mit dem 2005 verstorbenen Kardinal
Sin verband. Der Kardinal stand 1986 zusammen mit Aquino in vorderster Reihe bei den
Massenprotesten gegen Ferdinand Marcos, für Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Also für all
das, was die Filipinos heute wieder vermissen.
* Aus: Neues Deutschland, 5. August 2009
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