Statt Unabhängigkeitsfeier: "Tag der nationalen Trauer"
Demonstrationen und Unruhen auf den Philippinen - Forderung nach Rücktritt der Präsidentin
Es war lange still um die Philippinen. Doch dies war möglicherweile nur eine Ruhe im Blätterwald - seit sich die philippinische Regierung 2001/02 fast umstandslos in die Anti-Terror-Allianz der USA gefügt hatten, sind kaum Meldungen bis hierher gedrungen. Die beiden Artikel, die wir im Folgenden dokumentieren, belehren uns eines Besseren.
Arroyo unter Druck
Proteste gegen Präsidentin der Philippinen
Von Daniel Kestenholz, Manila
Nach einer Reihe von Skandalen sind
am Samstag tausende Menschen
durch Manila geströmt und haben den
Rücktritt von Präsidentin Gloria Macapagal-
Arroyo gefordert.
Der gestrige nationale Unabhängigkeitstag
wäre eigentlich ein Grund
zum Feiern gewesen. Viele Filippinos
sehen im Moment dazu keinen
Anlass. So nützten sie den Sonnabend,
um ihren Unmut über die
Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo kundzutun. Der
Präsidentin werden Wahlbetrug
vorgeworfen, und Mitglieder ihrer
Familie werden verdächtigt, von
illegalen Wettsyndikaten Zahlungen
entgegen genommen zu haben.
Ansonsten heillos zerstrittene Politiker
der Linken und andere Oppositionelle
zogen in seltener Eintracht
durch die Hauptstadt Manila
und begingen vor dem Unabhängigkeitstag
einen symbolischen »Tag
der nationalen Trauer«, um das Ende
von Arroyos Präsidentschaft einzuläuten,
wie ein demonstrierender
Abgeordneter sagte.
Arroyos Popularität hat über die
vergangenen Monate arge Rückschläge
hinnehmen müssen, denn
die alten Probleme wie Armut, Inflation
und Korruption bestehen
fort. Zuletzt sackte Arroyos Beliebtheit
weiter ab: Eine Tonbandaufnahme
mit einem Gespräch zwischen
Arroyo und einem
Wahlbeamten gelangte in Umlauf,
auf dem sie sich zusichern
ließ, dass sie eine Million
mehr Stimmen bekomme als
ihr ärgster Herausforderer, Fernando
Poe Jr., der im letzten Jahr überraschend
an Herzversagen starb.
Zudem sagte eine Zeugin letzte
Woche vor einem Senatsausschuss
aus, sie habe Arroyos Sohn und
Schwager eigenhändig Profite aus
dem Untergrundglücksspiel »jueteng« ausgezahlt. Beide Beschuldigten
sind Abgeordnete und bestreiten
die Vorwürfe. Um sich über die
Vorwürfe zu erheben, dass sie ihre
Familie schütze, hat Arroyo eine
Untersuchung gegen ihren Sohn
und Schwager angeordnet. Gleichzeitig
benutzte sie die Kampagne
gegen ihre eigene Person zu Attacken
gegen ihre Widersacher. Es
seien nämlich genau diese »Vertreter
von Instabilität und Intrige«, so
Arroyo, die ihre Anstrengungen
untergraben würden, die angeschlagene
Wirtschaft zu reformieren.
Sie dagegen sei zielgerichtet
»wie ein Laserstrahl«, so Arroyo.
Die Zweifel unter der Bevölkerung
daran mehren sich.
Aus: Neues Deutschland, 13. Juni 2005
Von Veränderung keine Spur
Ein Drittel der Filipinos lebt unterhalb der Armutsgrenze. Demonstrationen und Gefechte zum Nationalfeiertag
Von Thomas Berger
Demonstrationen prägten den 107. Jahrestag der philippinischen Unabhängigkeit von Spanien. Am Sonntag selbst, aber auch am Vortag zogen mehrere Protestzüge durch die Hauptstadt Manila: Die Opposition zeigte ihren Mißmut über die Präsidentin. Deutlich wurde: Gloria Arroyo hat viel von ihrer einstigen Beliebtheit eingebüßt. Heute trägt die Präsidentin den Makel diverser Skandale. Dabei wiegt die Vermutung, ihr Wahlsieg vor gut einem Jahr wäre durch Manipulation zustande gekommen, besonders schwer. Grundsätzlich sank die Popularität Arroyos jedoch vor allem, weil sie soziale Versprechen wie die Schaffung von einer Million neuer Arbeitsplätze jährlich nicht realisierte.
Mindestens ein Drittel der 85 Millionen Filipinos lebt unter der Armutsgrenze, muß mit umgerechnet weniger als einem Dollar am Tag auskommen. Daneben aber ist der Reichtum der Oberschicht in den zurückliegenden Jahren stark angewachsen. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft heute weiter auseinander als je zuvor, ohne daß die Regierung nachhaltige Veränderungskonzepte vorweisen kann. Abgesehen von ein paar neuen Steuern und dem Ziel, daß die Superreichen endlich überhaupt ihre Abgaben bezahlen, ließen Arroyo und ihre Getreue jegliche Initiative vermissen, die zerrütteten Staatsfinanzen zu sanieren und vor allem mehr Mittel für Bildung und Sozialprojekte bereitzustellen.
Indes lieferten sich am Nationalfeiertag Armee und kommunistische Rebellen in der Nähe Manilas ein mehrstündiges Feuergefecht. Laut Angabe der Streitkräfte starben 14 Guerilleros, nachdem eine Patrouille am Sonntag zufällig auf eine Gruppe Bewaffneter von der »Neuen Volksarmee« (NPA) gestoßen sei, so ein Armeesprecher am Montag. Beide Seiten hätten sich nahe der Ortschaft Mexico 80 Kilometer nördlich von Manila gut vier Stunden lang beschossen. Bei den Rebellen seien 13 Gewehre sichergestellt worden. Im vergangenen Monat hatte Verteidigungsminister Avelino Cruz angekündigt, den bewaffneten Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen in sechs bis zehn Jahren zu besiegen.
Aus: junge Welt, 14. Juni 2005
Zur Philippinen-Seite
Zurück zur Homepage