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Philippinen: Mord an Bergbaugegnern

Schweizer Konzern wird Beteiligung an Verbrechen vorgeworfen

Von Michael Reckordt und Rainer Werning *

Am 18. Oktober 2012 wurden Juvy Capion und ihre beiden acht und dreizehn Jahre alten Söhne John und Jordan in einem entlegenen Dorf in der südphilippinischen Provinzstadt Kiblawan von Soldaten des 27. Infanteriebataillons der Armee erschossen. Juvys Ehemann, der Bergbaugegner Daguil Capion, Vorsitzender der lokalen Gemeinschaft Indigener und das eigentliche Ziel der militärischen Aktion, gelang die Flucht.

Auf dem Grund und Boden der B’laan, den seit Generationen deren Ahnen bearbeiten, möchte der schweizerische Bergbaukonzern Xstrata zusammen mit seiner philippinischen Tochter Sagittarius Mines, Inc. (SMI) das in der Provinz Südcotabato gelegene Tampakan-Kupfer-Gold-Projekt als offenen Tagebau betreiben. In seinem offiziellen Geschäftslogo empfiehlt sich SMI als »Partner für eine glanzvollere Zukunft«. Umgerechnet 5,9 Milliarden US-Dollar will SMI, an der Xstrata 62,5 Prozent der Aktien und die Managementkontrolle hält, in der Region investieren, um jährlich 375000 Tonnen Kupfer und 360000 Unzen Gold zu fördern.

Die Ermordung von Juvy Capion wurde auch international von engagierten Umweltschützern angeprangert. Die philippinische Armee geriet zunehmend unter Druck. Anfang November 2012 trat der Kommandant des Bataillons, Oberstleutnant Noel Alexis Bravo, von seinem Posten zurück, wenngleich er eine Beteiligung an den Morden abstritt und von seinen Vorgesetzten in Schutz genommen wurde. Im Gegensatz zu dreizehn anderen Soldaten, denen seit Ende letzten Jahres der Prozeß vor einem Kriegsgericht gemacht wird.

Seit Anfang März droht den Soldaten nun auch Ungemach seitens eines Zivilgerichts. Der Vater von Juvy Capion reichte bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Davao del Sur Klage gegen insgesamt 16 Soldaten ein, denen er die Beteiligung an der Ermordung seiner Tochter vorwirft. Loretta Rosales, die Vorsitzende der staatlichen Menschenrechtskommission, unterstützt seine Vorwürfe. Laut dem Autopsiebericht wurde mindestens eine Kugel aus nächster Nähe abgefeuert, so Rosales gegenüber der Nachrichtenplattform MindaNews.

Im ersten Quartal dieses Jahres gab es außerdem eine Anhörung zur Militarisierung in der Xstrata-Projektregion. Vor dem philippinischen Kongreßausschuß für nationale und kulturelle Gemeinschaften mußte unter anderem die Bürgermeisterin von Kiblawan, Marivic Diamante, Rede und Antwort stehen. Die Bürgermeisterin sagte aus, SMI habe seit Juli 2006 Abkommen mit den Städten Kiblawan, Tampakan und Colombio unterzeichnet, wodurch die sogenannte Task Force ­KITACO entstand – eine 120 Mann starke Privat­armee, die vom Militär geführt wird. KITACO wird von den B’laan und Umweltschützern vorgeworfen, in der Vergangenheit mehrfach kritische Antibergbauaktivisten schikaniert und ermordet zu haben.

Seit Xstrata und seine Tochter SMI in Tampakan und umliegenden Gemeinden den Abbau von Kupfer und Gold vorbereiten, kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, die die Sicherheitslage der dortigen Bevölkerung verschlechtert. Die philippinische Armee hat allein zwischen 2007 und 2012 über 100 solcher Fälle registriert, da Menschen bedroht und eingeschüchtert wurden und es zu Schießereien kam. Je mehr Soldaten in die Region abkommandiert wurden, desto stärker empfinden viele Indigene dies als Provokation.

In dem Kongreßhearing bestätigten sowohl Bürgermeisterin Diamante als auch Sprecher der Armee, SMI zahle als Gegenleistung für den Einsatz des Militärs eine monatliche Aufwandsentschädigung und die Benzinkosten für die Task Force KITACO – insgesamt umgerechnet über 15000 Euro. Am 30. Januar kam Kitari Capion, ein Bruder des weiterhin flüchtigen Daguil Capion, bei einem Schußwechsel mit Regierungssoldaten ums Leben. So angespannt die Sicherheitslage ist, so unklar bleibt auch, ob den Hinterbliebenen der Opfer vor Gericht Gerechtigkeit widerfährt. Lediglich knapp ein Prozent der seit 2001 begangenen Morde an politischen Aktivisten führte zur Verurteilung der Täter. Nutznießer der Straflosigkeit im Lande sind eben auch internationale Konzerne.

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. April 2013


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