Auch El Niño ist schuld
Extreme Wasserknappheit auf den Philippinen. Neben dem Naturphänomen machen Umweltschützer Privatisierungen und Vergeudung verantwortlich
Von Thomas Berger *
Vertrocknete Felder und auch in den Städten Wasserknappheit - die
Philippinen haben mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Während am
Wochenende in Bonn Vertreter aus knapp 200 Staaten zu einem
Vorbereitungstreffen für die nächste Weltklimakonferenz im Dezember in
Mexiko zusammenkamen, wurden in dem südostasiatischen Inselstaat
aufrüttelnde Zahlen vorgelegt. Extreme Dürrephasen, die auf den
El-Niño-Effekt zurückgehen, hätten zu Ernteausfällen in Höhe von 10,4
Milliarden Pesos (180 Millionen Euro) geführt, teilte das nationale Amt
für Katastrophenschutz (NDCC) mit.
Nach Behördenangaben wurden landesweit 734000 Tonnen
landwirtschaftlicher Produkte auf einer Anbaufläche von 769000 Hektar
vernichtet. Unter den betroffenen Kulturen seien Reis als
Hauptnahrungsmittel, Weizen, Obst und Blumen. Selbst Viehhaltung und
Fischwirtschaft litten unter Ausfällen, weil Seen zu wenig Wasser
führten oder nicht ausreichend Futter für die Tiere zur Verfügung
stünde. Allein in der Provinz Isabela belaufen sich den Angaben zufolge
die Schäden auf mehr als vier Milliarden Pesos. Auf 73 Prozent der
Weizenanbaufläche wurden Totalverluste verzeichnet, 112000 Bauern drohe
der Ruin.
Das Landwirtschaftsministerium will helfen. Staatssekretär Bernie
Fondevilla kündigte laut Presseberichten an, daß schadhafte
Bewässerungssysteme repariert würden. Auch die Ausgabe von Wasserpumpen
und neuem Saatgut soll die Not der Bauern lindern. Ihnen werden zudem
Schulungen angeboten, damit sie lernen, die Krise zu überstehen. Das
zeugt von gutem Willen. Aber die Wirksamkeit der Maßnahmen dürfte
begrenzt sein. Nicht zuletzt, weil die natürlichen Seen und Flüsse, von
denen eine Bewässerung ausgehen würde, derzeit Niedrigststände haben.
Das Problem trifft nicht allein die Landbevölkerung, obwohl es gerade
dort oftmals um das wirtschaftliche Überleben ganzer Großfamilien geht.
Auch in den Städten zeigen sich die Auswirkungen: Speziell der
Ballungsraum Manila mit seinen mehr als 15 Millionen Einwohnern hat zu
wenig Wasser. So räumte Maynilad, einer der beiden großen privaten
Wasserversorger, gegenüber der führenden englischsprachigen Tageszeitung
Manila Bulletin ein, 560000 Menschen in 156 Zonen würden schon jetzt
nicht ausreichend beliefert werden können. Entweder sei die Versorgung
zeitweise unterbrochen oder der Druck in den Leitungen zu gering.
Umweltorganisationen wie das Water for the People Network (WPN) schlagen
Alarm. Es sei ein Skandal, wenn kostbares Trinkwasser beispielsweise auf
den Golfplätzen verschleudert werde, während der Normalbürger sich
einschränken müsse. In der Tat sind selbst zur heißen Mittagszeit auf
dem zweigeteilten 18-Loch-Platz unmittelbar unterhalb der alten
Stadtmauern von Intramuros im Herzen Manilas etliche Golfer zu
beobachten, die über das satte Grün des gepflegten Rasens laufen. 2,3
Millionen Liter verschlingt ein solcher Parcours im Durchschnitt zur
Bewässerung am Tag, haben UN-Experten errechnet. Damit könnten je nach
Verbrauch 46000 bis 115000 Menschen versorgt werden.
Es müsse dringend etwas getan werden, fordern WPN und andere Aktivisten.
Nicht nur auf den Golfplätzen, sondern auch in großen Hotels,
Autowaschanlagen, Shoppingcentern und privaten Parkanlagen müsse der
Wasserverbrauch überwacht und gegebenenfalls von den Behörden
eingeschränkt werden. Das ist nötig, um der Allgemeinheit das
lebenswichtige Naß selbst bei der anstehenden nochmaligen Verschärfung
der Lage über den Mai hinweg zur Verfügung zu stellen. Der Pegel des
Angat-Stausees, aus dem sich die Wasserversorgung Manilas zu 97 Prozent
speist, steht 8,40 Meter unter dem Normalwert. Bis Ende Juni wird ein
weiterer Rückgang der Reserven prognostiziert.
Nicht alles ist El Niño anzulasten. Schuld sei auch die Privatisierung
der Wasserversorgung im Hauptstadtbereich, so die Umweltschützer. 3,2
Millionen Einwohner des Großraums sind beispielsweise gar nicht ans Netz
angeschlossen. Ein Versäumnis, für das Maynilad und der zweite
Konzessionsnehmer Manila Water ebenso verantwortlich zu machen seien wie
für die 1,5 Millionen Liter Trinkwasser, die täglich durch undichte
Leitungssysteme verlorengingen. Die Firmen würden in erster Linie
Gewinne einstreichen, ohne die zahlreichen Lecks abzudichten, was das
schon bestehende Problem zusätzlich verschärft. Langfristig müsse
deshalb überlegt werden, die Privatisierung rückgängig zu machen. Vor
allem aber dürfe der Angat-Staudamm unter keinen Umständen von der
öffentlichen Hand abgegeben werden - solche Pläne sind bereits publik
geworden.
Im äußersten Süden des Landes, auf der Insel Mindanao, wird derweil über
die Errichtung eines neuen Wasserkraftwerkes gestritten. Die 80 Hektar
große Anlage am Flußsystem des Agus soll 240 Megawatt Strom liefern und
damit die Energiekrise in der Region beheben helfen. Der erste
Spatenstich fand vergangene Woche statt. Mindanao leidet unter täglichen
Stromabschaltungen von fünf bis acht Stunden - eine Situation, die
bereits seit Januar anhält. Ursache: Die bestehenden fünf Kraftwerke
haben Probleme mit dem niedrigen Wasserstand des Flusses. Ob die neue
Anlage wirklich hilft, bezweifeln Umweltschützer und
Anwohnerinitiativen. Sie befürchten eher, daß der Bau sich negativ auf
den Wasserstand des Tanaosees als eine der beiden Hauptwasserquellen in
der Region auswirken könnte.
* Aus: junge Welt, 13. April 2010
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