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Gerissene Befehlskette

Philippinen: Untersuchungsbericht gibt Präsident Aquino Mitverantwortung an tödlichem Einsatz. US-Team war in Kommandozentrale

Von Rainer Werning *

Nach mehrfacher Verzögerung legte die Philippinische Nationalpolizei (PNP) Ende vergangener Woche ihren ersten Untersuchungsbericht über die Kommandoaktion ihrer Eliteeinheit, der »Special Action Force« (SAF) vor, die am 25. Januar in der Ortschaft Mamasapano in der südlichen Provinz Maguindanao einen desaströsen Verlauf genommen hatte. Insgesamt, schrieben die Autoren des knapp 130seitigen Berichts, starben bei diesem Einsatz, der der Festnahme dreier gesuchter Terroristen galt, 67 Personen – 44 SAF-Mitglieder, 18 Kombattanten der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) sowie fünf Zivilisten.

Die Festnahme der drei »hochwertigen Ziele« war seit Frühjahr 2014 geplant, dann aber nach mehrmaliger Verschiebung unter der Bezeichnung »Operationsplan Exodus« Ende Januar exekutiert worden. Dabei soll der unter dem Decknamen »Marwan« gesuchte malaysische Topterrorist ums Leben gekommen sein. Seine beiden philippinischen Komplizen konnten entkommen.

Diese Kommandoaktion forderte deshalb so viele Tote, weil die Operation in einem Gebiet stattfand, das größtenteils von der MILF und der mit ihr rivalisierenden Bangsamoro Islamischen Freiheitsbewegung (BIFM) kontrolliert wird. Da gemäß dem seit Ende März 2014 zwischen der MILF und der Regierung in Manila ausgehandelten Friedensvertrag Truppenbewegungen der beidseitigen Absprache bedürfen, »Exodus« aber als geheime Nacht- und Nebelaktion erfolgte, ging die gegnerische Seite von einem Überfall aus und verwickelte die SAF-Einheiten in mehrstündige Feuergefechte.

Der PNP-Untersuchungsbericht mit dem knappen Titel »Mamasapano Report« hatte zu klären, wer für was, wann und zu welchem Zeitpunkt Verantwortung für die Planung, Koordination und Durchführung der Operation hatte. Zuvörderst ging es um die Einhaltung der Befehlskette, wobei die Untersuchung zu einem vernichtenden Urteil kommt: Zwar hatte Präsident Aquino dem Plan zugestimmt, doch weder den PNP-Generaldirektor, Leonardo Espina, noch den für die Polizei zuständigen Innenminister Manuel Roxas II. sowie die Regionalkommandeure der Streitkräfte (AFP) instruiert. Statt dessen lief die Kommunikation lediglich zwischen Aquino, seinem langjährigen Freund Alan Purisima und dem Chef der SAF-Einheit, Getulio Napeñas.

Purisima war zwar seit langem als PNP-Chef mit dem Plan bestens vertraut. Doch ist er im vergangenen Dezember vom Ombudsmann des Antikorruptionsgerichts für sechs Monate vom Dienst suspendiert worden. Napeñas votierte seinerseits dafür, die AFP außen vor zu lassen, weil einige ihrer Mitglieder mit Leuten aus der Gefechtszone verwandt seien und so die ganze Operation gefährdeten.

Zur Rolle der USA merkt der Untersuchungsbericht auf Seite 78 an, dass sich ein mindestens sechsköpfiges US-Team in der taktischen Kommandozentrale nahe der Stadt Cotabato aufgehalten habe. Sie hätten dabei den SAF-Einheiten in Echtzeit durch Nachrichtengewinnung, Überwachung und Aufklärung assistiert und verwundete Polizisten aus dem Operationsgebiet zur medizinischen Behandlung ausgeflogen.

Eine direkte Beteiligung von US-Soldaten konnte nicht nachgewiesen werden. Als ungewöhnlich heben die Autoren des Reports hervor, dass philippinische Polizisten auf Anweisung von Vorgesetzten den abgeschnittenen Zeigefinder des bei der Kommandoaktion mutmaßlich ums Leben gekommenen »Marwan« wartenden US-Amerikanern in General Santos City zur DNA-Untersuchung ausgehändigt hätten. Das ernüchternde Fazit des PNP-Berichts: »Der Operationsplan Exodus konnte nicht effektiv durchgeführt werden, weil er von Anfang an defekt war.«

Die rasche Veröffentlichung des Reports fand im Lande ein überwiegend positives Echo. Zahlreiche Berichterstatter und Kommentatoren lobten diesen Umstand in den Montagausgaben der überregional erscheinenden Tageszeitungen. Außerdem wurde die kompakte Zusammenfassung der Ereignisse in Mamasapano sowie der ihnen vorausgegangenen Planungsdefizite hervorgehoben.

Weniger angetan zeigte sich das Aquino-Lager und dessen Liberale Partei. Sie sprachen von »Mutmaßungen« und »voreiligen Schlussfolgerungen«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 18. März 2015


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