Eigenlob hinkt
Philippinischer Präsident spricht über vermeintliche Erfolge seiner Regierung
Von Rainer Werning *
Am Montag nutzte der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III. anlässlich seiner letzten Rede zur Lage der Nation die Gelegenheit, um in der ihm eigentümlichen Weise sich selbst und die Errungenschaften seines Kabinetts innerhalb der vergangenen fünf Jahre vollmundig zu loben. Über zwei Stunden lang reihte er aus Sicht der Regierung eine Erfolgsgeschichte an die andere, immer wieder unterbrochen von eingestreuten Statements ausgewählter Personen, die des Präsidenten Reformeifer lobten und dessen Segnungen priesen. Es war die längste der insgesamt sechs Reden zur Lage der Nation, die Aquino hielt, dessen Amtszeit Ende Juni 2016 endet. Laut Verfassung ist eine Wiederwahl ausgeschlossen.
Auch diesmal bezeichnete der Präsident seine loyale Wähler- und politische Gefolgschaft als »Boss«, dem er stets zu Diensten war und dies auch in den ihm verbleibenden 11 Monaten im Amt zu bleiben gedenke. Eine rhetorische Figur, die Redenschreiber aus der Akbayan-Partei ihm eingeflüstert haben. Diese gemäßigt linke Organisation unterstützte bei den Wahlen 2010 Aquinos Liberale Partei und ist seitdem mit dieser verbündet.
Als besonderen Verdienst seiner Administration würdigte Aquino wirtschaftliche Erfolge. Die Philippinen, so der Präsident, genössen heute ein hohes internationales Ansehen und hätten von 2010 bis 2014 ein durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von jährlich 6,3 Prozent erzielt, eine Zuwachsrate, die in der Region lediglich von der VR China übertroffen worden sei. Damit hätte sich das Land in die Phalanx der 30 weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften eingereiht und werde von internationalen Finanzinstitutionen zu Recht als »neuer südostasiatischer Tiger« betrachtet. Im selben Zeitraum hätten sich überdies die ausländischen Direktinvestitionen nahezu versechsfacht und seien 2014 auf umgerechnet 6,2 Mrd. US-Dollar gestiegen.
In einer außergewöhnlich langen Aufzählung dankte Aquino allen, die zum Erfolg seiner bisherigen Amtszeit beitrugen – das schloss seinen Barbier ebenso ein wie sein Haus- und Pflegepersonal. Geflissentlich ließ er einen wichtigen Namen unerwähnt, nämlich den seines Vizepräsidenten, Jejomar Binay. Dieser hatte sich vor einem Monat mit dem Präsidenten überworfen und ihn eines »unsensiblen und miserablen Umgangs- und Regierungsstils« geziehen. Binay, der trotz gravierender Bestechungsvorwürfe in öffentlichen Umfragen an erster Stelle rangiert, hat denn bereits vorzeitig als erster ranghoher Politiker den Wahlkampf eröffnet und angekündigt, Aquino zu beerben.
So tief die Risse innerhalb der Regierung trotz präsidialer Selbstbeweihräucherung sind, so unterschiedlich war auch die Resonanz auf Aquinos Rede. Vor dem Kongressgebäude, wo der Präsident seine Rede hielt, war ein Großaufgebot von über 6.000 Polizisten und Soldaten in Alarmbereitschaft postiert, sodass das abgeriegelte Areal auf die 20.000 Demonstranten – hauptsächlich Arbeiter, Bauern, Fischer, Gewerkschafter und Studenten – wie eine »Kriegszone« wirkte. Die Demonstranten hatten auf Großkundgebungen selbst zur »Lage der Nation« gesprochen und eine lange Liste von politischen und sozialen Versäumnissen der Regierung Aquino präsentiert: Armut und Arbeitslosigkeit, miserable Transportbedingungen im Großraum Manila, »Aufstandsbekämpfung« gegen fortschrittliche und linke Kräfte, außergerichtliche Hinrichtungen von politischen Gegnern, zwangsweise Vertreibungen im Zuge von Infrastrukturmaßnahmen, Wiedereröffnung von Militärstützpunkten mit Nutzungsrechten für die USA und noch immer keine Friedenslösung mit der »Moro Islamischen Befreiungsfront« im Süden des Landes.
Diese Kritik wurde von zahlreichen Berichterstattern und Kommentatoren geteilt. »Aquinos wahre Bosse«, schrieb Carol Pagaduan-Araullo, langjährige Kolumnistin der Tageszeitung BusinessWorld, am Montag, »das sind die ausländischen multinationalen Unternehmen, die Supermacht USA, die einheimischen Kompradoren als Agenten ausländischer Organisationen im Handels-, Banken- und Finanzsektor sowie Großgrundbesitzer.«
* Aus: junge Welt, Freitag, 31. Juli 2015
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