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Verhaftung statt Verhandlung

Philippinen: Festnahme von Kader der Kommunistischen Partei untergräbt Friedensprozess

Von Rainer Werning *

Philippinische Sicherheitskräfte haben am vergangenen Montag nach eigenen Angaben in der Stadt Bacoor südlich der Hauptstadt Manila einen ranghohen Kader der Kommunistischen Partei (CPP) festgenommen. Der 67jährige Adelberto Silva alias Percival Rojo wurde zusammen mit seiner Frau Rosanna Cabusao und einem Begleiter aufgegriffen, ohne Gegenwehr zu leisten. Die Armee (AFP) brüstet sich nun damit, in ihrer »Aufstandsbekämpfung« einen weiteren Erfolg gegen die CPP und deren bewaffneten Arm, die Neue Volksarmee (NPA), erzielt zu haben. Andere Quellen wie die philippinische Menschenrechtsorganisation Karapatan berichten dagegen, dass eine Spezialeinheit der Philippinischen Nationalpolizei (PNP) die drei festgenommen habe.

Laut AFP-Pressesprecher Harold Cabunoc hatte Silva die Leitung der CPP-NPA übernommen, nachdem die Sicherheitskräfte im März 2014 den Parteivorsitzenden Benito Tiamzon und dessen Frau, die CPP-Generalsekretärin Wilma Austria, verhaftet hatten. Silva muss sich der Armee zufolge wegen der Ermordung von 15 Menschen verantworten, deren Leichen 1985 in einem Massengrab auf der Insel Leyte entdeckt worden waren. Die NPA soll ihnen Spionage für das Militär vorgeworfen haben.

Mit den Festnahmen schwindet die Hoffnung auf ein friedliches Ende des seit Ende der 60er Jahre währenden bewaffneten Konflikts in den Philippinen. Die Regierung von Präsident Benigno Aquino III. hatte stets erklärt, bis zum Ende ihrer Amtszeit im Juni 2016 einen umfassenden Friedensvertrag mit der Nationalen Demokratischen Front (NDFP), dem politischen Untergrundbündnis des kommunistischen Widerstandes, aushandeln zu wollen. Seit Mitte 2014 drängt eine von säkularen und kirchlichen Organisationen getragene Bewegung unter dem Namen Kapayapaan (Frieden) beide Seiten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die seit Februar 2013 ausgesetzten Friedensgespräche unter Vermittlung des norwegischen Außenministeriums fortzuführen. Über 50 namhafte Persönlichkeiten, unter ihnen Bischöfe und Intellektuelle, richteten als Initiatoren dieser Bewegung drei Hauptforderungen an die Kontrahenten: die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen, die Anerkennung aller getroffenen Vereinbarungen und ein Fokussieren auf die Wurzeln des bewaffneten Konflikts.

»Die Festnahme Silvas unterhöhlt einmal mehr den Friedensprozess«, erklärte die Generalsekretärin von Karapatan, Cristina Palabay, am Donnerstag gegenüber mehreren philippinischen Medien. Die Aktion demonstriere »auf fatale Weise, dass sich die Regierung einfach über das beidseitig ausgehandelte Gemeinsame Abkommen über Sicherheits- und Immunitätsgarantien (JASIG) sowie das Umfassende Abkommen zur Wahrung der Menschenrechte und des Internationalen Humanitären Rechts (CARHRIHL) hinwegsetzt«. Silva, so Palabay, sei als langjähriger Aktivist und Berater der Gewerkschaft Kilusang Mayo Uno gleichzeitig akkreditierter NDFP-Vertreter gewesen, der aufgrund des JASIG hätte geschützt sein müssen: »Statt dessen werden er und seine Begleiter, wie in zahlreichen früheren Fällen geschehen, mit fabrizierten Anklagen – darunter Mord, versuchter Mord und Waffenbesitz – konfrontiert, um sie wegzusperren.«

Vor der Festnahme von Silva hat Karapatan bereits 16 Fälle dokumentiert, da NDFP-Beratern dasselbe Schicksal widerfuhr und ihnen lange Haftstrafen aufgebrummt wurden. Landesweit sitzen laut Angaben von Palabay 527 politische Gefangene hinter Gittern. Die Regierungsseite zieht die Ernsthaftigkeit der NDFP-Verhandlungsführer generell in Zweifel. Diese werfen im Gegenzug der Regierung in Manila vor, über ein Dutzend ihrer akkreditierten Berater unrechtmäßig gefangenzuhalten und sich über ausgehandelte Abkommen hinwegzusetzen.

* Aus: junge Welt, Montag, 8. Juni 2015


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