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Krieg gegen Linke

In Europa wirbt der philippinische Präsident für Investitionen und Frieden. Daheim wächst Kritik am Umgang mit KP

Von Rainer Werning *

Der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III sowie mehrere Minister haben am Samstag ihre Europareise angetreten. In elf Tagen absolviert die Regierungsdelegation aus Manila ein dichtes Programm mit Besuchen in Spanien, Belgien, Frankreich und am 19. und 20. September auch in Deutschland. In Berlin wird Aquino mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck zusammentreffen und von dort aus weiter in die USA fliegen.

Im Vordergrund der Reise stehen aus Sicht der Gäste drei zentrale Themen: Territorialdispute mit der Volksrepublik China, Verstärkung der Investitionen und Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union sowie die Selbstdarstellung als »Friedensapostel« in den Verhandlungen mit der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF).

In den vergangenen Monaten ist der Konflikt um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer eskaliert, das auf philippinischen Karten mittlerweile als Westphilippinisches Meer verzeichnet ist. Manila sähe dabei gern die EU an seiner Seite. Außerdem hofft Aquino auf höhere europäische Investitionen in dem Inselstaat. Mit Blick auf den Ende März unterzeichneten Friedensvertrag mit der MILF hatte Aquino noch kurz vor seiner Abreise im Präsidentenpalast Malacañang in Manila erklärt: »Wir bekamen die seltene Chance, nicht nur uns, sondern der gesamten Welt gegenüber zu zeigen, daß wir etwas erreichen können, was lange für unmöglich gehalten wurde.« In Europa möchte Aquino für diesen Friedensprozeß werben. Allerdings ist längst nicht ausgemacht, ob sich bis zum Sommer 2016 tatsächlich eine dauerhafte Friedensarchitektur in den Südphilippinen errichten läßt. Dann endet Aquinos Amtszeit, die er zum Verdruß seiner innenpolitischen Gegner gern verlängern würde.

Derweil mehren sich im Land die Stimmen, die von Aquino die Wiederaufnahme von Gesprächen mit dem Linksbündnis der Nationalen Demokratischen Front (NDFP) fordern. Diesem gehören unter anderem die Kommunistische Partei (CPP) und deren Guerillaorganisation, die Neue Volksarmee (NPA), an. Mitte Juli formierte sich in Quezon City eine landesweit verankerte, von zahlreichen säkularen und kirchlichen Organisationen getragene Bewegung unter dem Namen »Kapayapaan«, auf deutsch »Frieden«. Über 50 namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens richteten als Initiatoren dieser Bewegung drei Hauptforderungen an die Regierung und NDFP: »Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen! Anerkennung aller getroffenen Vereinbarungen! Lenkt das Augenmerk auf die Wurzeln des bewaffneten Konflikts!« Damit sind die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten und nicht zuletzt der Großgrundbesitz gemeint.

Nach dem Sturz der Diktatur von Ferdinand E. Marcos im Februar 1986 war es unter Corazon C. Aquino, der Mutter des jetzigen Präsidenten, zur ersten Runde von Friedensverhandlungen zwischen Manila und der NDFP-Führung gekommen. Bis 1998 konnten zwei bedeutsame Vereinbarungen, das Gemeinsame Abkommen über Sicherheits- und Immunitätsgarantien (JASIG) sowie das Umfassende Abkommen zur Wahrung der Menschenrechte und des Internationalen Humanitären Rechts (CARHRIHL), ausgehandelt werden. Die norwegische Regierung fungierte zwischenzeitlich als Mediator. Die Verhandlungen zwischen Manila und der NDFP scheiterten, nachdem die USA und die EU die CPP und NPA sowie José María Sison, den Gründungsvorsitzenden der CPP und heutigen politischen Chefberater der NDFP, als »terroristisch« gebrandmarkt hatten. Im August 2005 wurden sie offiziell suspendiert. Daraufhin verschärfte die Regierung ihre »Aufstandsbekämpfung«, um die CPP/NPA mittels des Oplan Bantay Laya (Operationsplans Friedenswacht) und des Oplan Bayanihan (Operationsplans Nachbarschaftshilfe) »auszumerzen«. Anfang 2011 wurden die Gespräche unter der Schirmherrschaft des norwegischen Außenministeriums in Oslo kurzzeitig wieder aufgenommen. Doch anstatt sich, wie vereinbart, über sozioökonomische sowie politische und Verfassungsreformen zu verständigen, herrschte bald erneut Stillstand. Die Regierungsseite zog die Ernsthaftigkeit der NDFP-Verhandlungsführer generell in Zweifel. Diese beschuldigen die Regierung, gleich dreifach frühere Abmachungen zu mißachten: Landesweit sitzen annähernd 500 politische Gefangene hinter Gittern, Immunitätsgarantien für 15 ihrer Berater würden nicht respektiert, und Oplan Bayanihan werde vielerorts ausgeweitet.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 17. September 2014


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