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US-Komplize unter Druck

Untersuchungsberichte belasten philippinischen Präsidenten nach desaströser Kommandoaktion

Von Rainer Werning *

In der vergangenen Woche haben der philippinische Senat und die Moro Islamische Befreiungsfront (MILF) den mittlerweile zweiten und dritten Untersuchungsbericht über eine desaströse Kommandoaktion der Special Action Force (SAF) der Philippinischen Nationalpolizei (PNP) vorgelegt. Bei dem Einsatz zur Ergreifung dreier mutmaßlicher Terroristen waren am 25. Januar nach letzten offiziellen Angaben 44 Polizisten, 17 MILF-Kämpfer und drei Zivilisten getötet worden. Auch der angebliche malaysische Sprengstoffexperte Zulkifli bin Hir alias Marwan, einer der Gesuchten, starb demnach bei der »Operation Exodus« in der Ortschaft Mamasapano in der südlichen Provinz Maguindanao.

Wie bereits in dem Mitte März vorgelegten ersten Bericht der PNP kommt Präsident Benigno S. Aquino III. auch nach den Untersuchungen des Senats und der MILF schlecht weg. Der PNP-Report hatte dem Präsidenten eine Missachtung der Befehlskette vorgeworfen. Der von der Senatorin Grace Poe vorgelegte 129seitige Senatsbericht geht noch weiter: Er bezeichnet Aquino als Hauptverantwortlichen der Kommandoaktion, die schlecht geplant und ausgeführt worden sei. Außerdem heben die Autoren hervor, dass es sich keineswegs um »eine hundertprozentig von Filipinos geplante und durchgeführte Mission« gehandelt habe, wie es Verteidigungsminister Voltaire Gazmin und Außenminister Albert del Rosario mehrfach versichert hatten.

Die Kommandoaktion folgte laut Senatsbericht eher einem US-Skript. Die Ergreifung Marwans habe für Washington weitaus größere Bedeutung gehabt als für Manila. Planung, Vorbereitung, Finanzierung und Logistik hätten in den Händen amerikanischer Geheimdienstexperten und des FBI gelegen. Laut dem Bericht soll sich der Kommandeur der 6. Infanteriedivision der Armee in Maguindanao gar geweigert haben, auf Drängen von US-Personal Artillerie einzusetzen. Kritiker und Gegner Aquinos werfen dem Präsidenten deshalb Komplizenschaft in einem Deal mit der US-Regierung vor, bei dem »die Amerikaner bis zum letzten Filipino« kämpften. Das Ende April 2014 zwischen Washington und Manila ausgehandelte »Erweiterte Verteidigungskooperations-Abkommen« (EDCA) gestatte US-Militäreinheiten auch künftig ähnliche Operationen und räume ihnen extraterritoriale Sonderrechte und Immunität ein.

Die MILF schlussfolgert in ihrem Untersuchungsbericht, dass die Attacke in Mamasapano einen Bruch der mit der Regierung gemeinsam ausgehandelten Waffenstillstandsklauseln bedeute. Ihre Kämpfer hätten sich in der Nacht-und-Nebel-Aktion angegriffen gefühlt und das von der SAF eröffnete Feuer erwidert. Entschieden weist MILF-Verhandlungsführer Mohagher Iqbal den im Senatsbericht erhobenen Vorwurf eines »Massakers« zurück und spricht von einer Verkehrung der Tatsachen.

Für den Präsidenten kommt die Kritik äußerst ungelegen. Nur zu gern hätte Aquino den gestrigen Freitag genutzt, um das einjährige Bestehen des mit der MILF am 27. März 2014 in Manila ausgehandelten Friedensvertrags zu feiern. Statt dessen ist sein Image schwer ramponiert und er steht politisch vor einem Trümmerhaufen. Die beiden führenden Meinungsforschungsinstitute im Lande, Pulse Asia und Social Weather Stations, attestieren dem Präsidenten die niedrigsten Zustimmungswerte seit seiner Amtseinführung im Sommer 2010. Angetreten war Aquino damals mit dem Versprechen, den langjährigen Konflikt im Süden des Landes zu entschärfen und mit der MILF einen dauerhaften Frieden zu schließen. Daran hatte der Präsident gar die Erwartung geknüpft, sich für den Friedensnobelpreis zu empfehlen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 28. März 2015


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