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Portugal-Paket auch ohne IWF-Chef

Neue Rettungsmilliarden in Euroland / Athen muss auf Umschuldung und neue Kredite warten *

Schon wieder ist ein Treffen der Euro-Finanzminister zu einem Krisenmeeting mutiert. Aktuelle Sorgenkinder sind Portugal und Griechenland.

Portugal ist nach Griechenland und Irland das dritte Land der Eurozone, das wegen akuter Zahlungsprobleme internationale Finanzhilfen erhalten soll. Die Finanzminister der Eurozone sowie Vertreter der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) kamen am Montagnachmittag in Brüssel zusammen, um das 78 Milliarden Euro schwere Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) für das südwesteuropäische Land zu beschließen.

Angesichts der Affäre um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, der am Sonntag in New York wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung festgenommen worden war, warnte die EU vor Panikstimmung. »Die Kontinuität beim Internationalen Währungsfonds ist gesichert, daran gibt es keinen Zweifel«, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. »Die Ereignisse in New York wirken sich nicht auf die laufenden Hilfsprogramme in Irland und Griechenland und die geplante Entscheidung zu Portugal aus.« Und der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, der IWF sei so gut organisiert, dass »er die zeitweilige Abwesenheit des Leiters verkraften kann«.

Strauss-Kahn gilt als eine der treibenden Kräfte hinter den mit harten Sparauflagen verbundenen Notprogrammen für angeschlagene Euroländer. Am Kreditpaket für Portugal ist der Fonds zu rund einem Drittel beteiligt. Beim Finanzministertreffen in Brüssel war der Fonds durch Vize-Generaldirektorin Nemat Shafik vertreten.

Im Unterschied zum Milliardenprogramm zu Portugal gibt es in anderen aktuellen Fragen noch keinen Konsens. So wird im Falle von Griechenland, das nach dem Hilfsprogramm vom Frühjahr 2010 erneut mit massiven Problemen konfrontiert ist, ein zweites Paket in Höhe von 30 bis 60 Milliarden Euro möglich. Bei dem Treffen seien keine Entscheidungen geplant gewesen, sagte der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Nach Angaben von Finanzminister Schäuble soll zunächst eine Bewertung der Finanzlage Athens durch EU-Kommission, EZB und IWF im Juni abgewartet werden.

Deutlich wurde aber bei dem Treffen in Brüssel, dass der Druck auf die griechische Regierung noch verstärkt werden soll. EU-Währungskommissar Rehn kritisierte Athen wegen mangelnder Fortschritte bei der Haushaltssanierung. »Griechenland muss die Wirtschaftsreformen beschleunigen und die vollständige Umsetzung des Privatisierungsprogramms sicherstellen«, sagte er der Zeitung »Die Welt«. Ähnlich äußerten sich mehrere Finanzminister. Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), sagte im ZDF-»Morgenma- gazin«: »Das ist ein harter Weg, keine Frage, aber der muss auch gegangen werden.«

Derweil hält auch die Bundesregierung hinter vorgehaltener Hand eine »weiche Umschuldung« Griechenlands für möglich. Gemeint ist damit kein harter Schuldenschnitt zulasten der Gläubiger, aber Maßnahmen wie etwa die Verlängerung der Laufzeiten von Krediten oder eine Senkung der Zinsen. Hierbei ist man sich unter den Euroländern noch nicht einig, und in der EZB gibt es Widerstände; die Notenbank hält selbst griechische Staatsanleihen in großem Umfang, wäre also von der Umschuldung finanziell betroffen. Außerdem verwahrt man sich gegen eine Einmischung der Politik.

Breite Einigkeit hingegen gibt es bei der Frage der Nachfolge des scheidenden Zentralbank-Präsidenten Jean-Claude Trichet. Der Italiener Mario Draghi ist nun auch offiziell einziger Kandidat für den Posten. Nach Aussage von Euro-Gruppen-Chef Jucker gibt es keine weiteren Bewerbungen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Mai 2011


Kein Allheilmittel in Sicht

Sanfte Umschuldung in Irland – und bald auch in Griechenland?

Von Hermannus Pfeiffer **


Im Zuge der EU-Finanzkrise wird in der Eurozone auch über verschiedene Formen von Umschuldungen diskutiert. Irland wurde bereits aktiv.

Das Rettungspaket für den Euro wächst weiter. Nach Griechenland und Irland wird nun auch für Portugal ein Notpaket in Höhe von 78 Milliarden Euro geschnürt. Und Griechenland ist erneut das Sorgenkind der Euro-Staaten. Einen Ausweg hat man in der EU noch nicht gefunden.

Die Wirtschaft der Wiege Europas schrumpft, der Schuldenberg wächst. Im ersten Quartal ging die Wirtschaftsleistung um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal zurück. Angesichts der weltweit anziehenden Konjunktur ein böses Zeichen: Eine schrumpfende Volkswirtschaft erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) ansonsten für 2011 nur noch für kriegsgebeutelte Länder wie Libyen oder Elfenbeinküste. Lahmende Unternehmen und kräftig steigende Arbeitslosigkeit führen außerdem in Hellas zu niedrigeren Steuereinnahmen. So könnten die neuen Schulden Athens in diesem Jahr noch mehr als die vorhergesagten 9,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen (Euro-Ziel: 3,0 Prozent). Trotz oder gerade wegen der rigiden Sparpolitik der Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Papandreou.

Ein Allheilmittel ist nicht in Sicht. Griechenland – und womöglich auch Irland und Portugal – wird in den kommenden Jahren keine Gelder auf den privaten Finanzmärkten aufnehmen können. Um das Haushaltsloch zu schließen, werden der Euro-Rettungsschirm (ESM) und der IWF wohl weitere Milliarden bereitstellen müssen. Die Rede ist von 30 bis 60 Milliarden Euro.

Der Preis dafür dürfte hoch ausfallen: Der internationale Druck auf die griechische Regierung wächst, und IWF und EU-Kommission fordern zusätzliche Privatisierungen. Allein der staatliche Immobilienbesitz soll 280 Milliarden Euro betragen. Kritiker befürchten allerdings, dass der Verkauf von Häfen, Rathäusern und Hochschulgebäuden die Konjunktur weiter bremsen werde und dem Staat teure Mietzahlungen drohen.

Kritiker plädieren stattdessen für einen einseitigen Schuldenschnitt, bei dem die Gläubiger »freiwillig« auf 30 oder 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Für 100 Euro Schulden müsste dann Athen nur noch 70 oder 50 Euro zurückzahlen. Ein solcher pauschaler »Haircut«, wie ihn einige Linke, Liberale und Banken fordern, wäre jedoch ebenfalls kein Allheilmittel. Staat und Wirtschaft dürften auch dann auf Jahre kein Geld mehr auf den internationalen Finanzmärkten bekommen oder nur zu superhohen Zinsen. Bei einer solchen Umschuldung »überwiegen die Risiken bei Weitem«, warnen die gewerkschaftsnahen Forschungsinstitute IMK in Düsseldorf, OFCE aus Paris und WIFO in Wien.

Derweil läuft die EU-Politik eher auf eine »sanfte Umschuldung« hinaus. Durch die Rettungspakete werden die Altschulden faktisch schon abgelöst durch neue Kredite von EU und IWF zu etwas niedrigeren Zinsen. Angedacht ist nun aber darüber hinaus, die Laufzeiten von Staatsanleihen zu verlängern und die Zinskonditionen zu mildern. Gleichzeitig übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) günstig immer mehr Schrottanleihen aus Irland, Portugal und Griechenland. So soll die EZB schon für 50 Milliarden Euro griechische Staatspapiere gekauft haben, und ist gleichzeitig größter Gläubiger der Banken in Athen. Insofern ist es nicht überraschend, dass sich die EZB laut einem Medienbericht über mögliche »sanfte« Umschuldungspläne für Griechenland beschwert hat.

Derweil hat Irland aber bereits ohne viel Aufhebens angefangen umzuschulden. Gläubigern der verstaatlichten Allied Irish Bank (AIB) wurde die politische Pistole auf die Brust gesetzt. Diese verkauften daraufhin ihre AIB-Anleihen für 10 bis 25 Prozent des ursprünglichen Wertes an den Staat. Dublin hofft so, fünf Milliarden Euro an Sanierungskosten einzusparen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Mai 2011


Prinzip Ratlosigkeit

Von Kurt Stenger ***

Auch mehr als ein Jahr nach Beginn der Euro-Schuldenkrise versuchen die Finanz- und Geldpolitiker, sich das Problem per Durchlavieren vom Halse zu schaffen. Nachdem man es zunächst mit Aussitzen versucht hatte, hangelt man sich seither von Notpaket zu Notpaket, die inzwischen nicht mehr ad hoc, sondern nach einem »Europäischen Stabilitätsmechanismus«, so die offizielle Bezeichnung, gepackt werden.

Der technokratische Begriff soll vermutlich auch die eigene Ratlosigkeit überspielen. Denn wie die wohl anstehende zweite Kreditrunde Griechenlands zeigt, ist man von einer Lösung noch immer weit entfernt. Dabei hat die Regierung in Athen die Staatsausgaben schon um rund ein Zehntel zusammengestrichen – zulasten der öffentlich Bediensteten und der Rentner –, was kaum für möglich gehalten wurde. Von sozial verkraftbar spricht ohnehin niemand mehr. Und die Haushaltslage bleibt trotz dieser Kraftanstrengung prekär.

Es ist sicher richtig, dass man die Möglichkeit einer »sanften«, diskreten Umschuldung Griechenlands in Erwägung zieht. Ohne dieses kann das Land an der Euro-Peripherie finanziell nicht auf die Beine kommen. Dies aber verstärkt nur den Eindruck, dass man sich weiter nur irgendwie durchzuwursteln versucht. Bei dem Problem, wie man zu gesunden öffentlichen Haushalten kommt, bleibt ein dickes Fragezeichen. Das Prinzip heißt Ratlosigkeit.

*** Aus: Neues Deutschland, 17. Mai 2011 (Kommentar)


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