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Weißer Rauch und dunkle Wolken

Politische Pirouetten beenden Regierungskrise in Portugal – vorerst

Von Dominic Heilig, Porto *

Vier Tage hielt die Krise der rechtskonservativen Koalition in Portugal an. Samstagabend wurde sie vom Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho (PSD) für beendet erklärt. Ihm zur Seite stand Ex-Außenminister Paulo Portas (CDS-PP) und sagte: Nichts!

Am frühen Samstagabend versammelten sich die Menschen in Portugal vor den Fernsehern. Anlass war die Pressekonferenz von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho (PSD). Auf dieser, so war im Vorfeld zu hören, sollte über die Zukunft der rechtskonservativen Regierungskoalition informiert werden. Zuvor glaubte kaum einer in dem von der Wirtschafts- und Sozialkrise geschüttelten Land an einen Fortbestand, nachdem der Vorsitzende der rechtspopulistischen Volkspartei (CDS-PP), Paulo Portas, dem Juniorpartner in der Koalition, als Außenminister zurückgetreten war.

Mit einiger Verzögerung trat um 19.39 Uhr der Passos Coelho mit ernster Miene vor die Mikrofone der wartenden Journalisten. Die erste Überraschung an diesem Abend: Er wurde begleitet von seinem Ex-Minister und Noch-Koalitionspartner Paulo Portas, der rechts von Passos Coelho Aufstellung nahm. Portas sollte in den etwa 20 Minuten der Pressekonferenz kein einziges Wort verlieren. Er assistierte in regungsloser Haltung.

»Verpflichtung der Regierung ist die Gewährleistung von Stabilität und daher die Lösung der Krise«, begann Passos Coelho und fuhr ohne Floskeln fort: »Ich habe vorgeschlagen, dass Paulo Portas fortan als Vizepremier und Wirtschaftsminister in der Regierung tätig sein wird. Ich habe weiterhin vorgeschlagen, dass Maria Luis Albuquerque weiterhin Finanzministerin bleibt. Portugal hat eine stabile Regierung.« Die beiden Vorschläge seien sowohl von Portas als auch von Präsident Aníbal Cavaco Silva (PSD) akzeptiert worden. Pikant an dieser Personalrochade ist, neben dem Wechsel von Portas vom Außen- in das Wirtschaftsministerium, dass auch Albuquerque bleiben darf. Die Ernennung der umstrittenen Politikerin Anfang vergangener Woche war als offizieller Grund für Portas' Demission genannt worden.

Wer dachte, dass in diesem Moment alles gesagt sei, rieb sich wenig später Augen und Ohren. Denn der Ministerpräsident ging trotz der massiven Rücktrittsforderungen der Opposition sogar in die Offensive. »Jetzt wird ein neues Kapitel in der Geschichte Portugals aufgeschlagen. 2014 wird das Land seine finanzielle Souveränität wiedererlangen. Dafür werden Paulo Portas und ich«, so Passos Coelho, »ein politisches Programm vorlegen, das Wachstum fördert und Arbeitslosigkeit beseitigt.«

Was dieses Programm beinhalten soll, ließ er offen. Klar ist, dass es für beide Parteien die inhaltliche Grundlage in den bevorstehenden Europawahlen sein wird. Eben noch zerstritten und in Auflösung begriffen, wollen nun beide Partner gemeinsam in den Wahlkampf ziehen. Weißer Rauch also, doch so recht glauben möchte niemand den selig machenden Versprechungen des Regierungschefs. So hinterlässt diese Woche mit zwei Ministerrücktritten, Neuwahlgerüchten sowie –forderungen und der Flucht des Regierungschefs nach vorne ratlose Bürger zurück.

Marisa Matias, Europa-Abgeordnete des Linksblocks (Bloco do Esquerda) kommentierte: »Diese drei Herren, Portas, Passos Coelho und Staatspräsident Cavaco Silva, haben offensichtlich die Realität verloren und vergessen, wer in diesem Land wirklich entscheidet. Es sind die Menschen und nicht drei Männer über Nacht hinter verschlossenen Türen.«

Die Pirouetten der Rechtskoalition zeigen aber vor allem eines: Der Druck der Banken und der Troika, diese Koalition auf Teufel komm raus am Leben zu erhalten, ist groß. So bleibt der Himmel wolkenverhangen dunkel über Portugal.

* Aus: neues deutschland, Montag, 8. Juli 2013


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