Damoklesschwert Uranbergbau
Bürger im portugiesischen Alentejo gegen radioaktive Gruben
Von Norbert Suchanek *
Portugal hat eine lange Uranbergbaugeschichte. Schon vor 100 Jahren
wurde hier nach dem Erz gegraben. Später wurde portugiesisches Uranoxid
an britische und an US-amerikanische Reaktor- und Atombombenbauer
geliefert. Insgesamt 62 Minen gab es.
Weidende Schafe und Ziegen, Korkeichen, Olivenhaine, Gärten voller
Orangen- und Mandarinenbäume. Die Landschaft rund um das
mittelalterliche Nisa im Alentejo ist reich an Tradition und ihr Käse
über die Grenzen Portugals hinaus berühmt. Und diese Lebensqualität
wollen die Menschen von Nisa im Norden der Region um keinen Preis aufgeben.
Doch mit dem Ansteigen der Nachfrage nach Kernbrennstoffen droht die
Wiederaufnahme des 1991 eingestellten Uranbergbaus im Alentejo. Vor den
Toren Nisas befinden sich die größten noch nicht erschlossenen
Uranvorkommen Portugals, über sechs Millionen Tonnen mit einem Wert von
derzeit über 43 Millionen Euro. Doch noch bevor die Bagger anrücken,
reagierten die Bürger von Nisa und gründeten zusammen mit Vertretern der
lokalen Wirtschaft die Anti-Uranbergbaubewegung MUNN (Movimento Urânio
em Nisa Não).
Auch Stadtrat und Gemeindeversammlung des 3600 Einwohner zählenden
Städtchens sprechen sich klar gegen die Ausbeutung des Uranerzes im
Landkreis aus. Nisas lokale Wirtschaft basiere auf der nachhaltigen
Nutzung der natürlichen Ressourcen. Das in diesem Sommer eröffnete
Thermalzentrum Nisas garantiere rund 100 dauerhafte, gesunde
Arbeitsplätze. Die Uranmine hingegen schaffe lediglich 70 Jobs und auch
die nur für sechs bis zehn Jahre.
»Radioaktiver Uranbergbau jedoch lässt sich kaum mit einer
qualitätsvollen, zertifizierten Nahrungsmittelproduktion und dem
Gesundheits- und Kulturtourismus vereinbaren«, erklärt Nisas
Stadtratspräsidentin Gabriela Tsukamoto. Winde könnten radioaktiven
Staub über die Landkreisgrenzen hinwegtragen und verseuchte Abwässer den
Fluss Tejo belasten. Bis heute hat Portugal die Umweltschäden der
früheren Uranminen nicht beseitigt. Die Altlasten, fast acht Millionen
Kubikmeter kontaminierter Abraum, offene Tagebaugruben und Schächte,
Abwasserbecken und verseuchte Schlämme bedrohen Wasserressourcen und
öffentliche Gesundheit, erklärt die Lissabonner Umweltingenieurin
Cláudia Derboven Sequeira. Noch immer streiten die ehemaligen Arbeiter
der 1991 eingestellten Uranmine Urgeiriça um angemessene Entschädigung
für gesundheitliche Schäden. 115 der einst etwa 500 Bergarbeiter seien
bereits an Krebs gestorben, so António Minhoto, der selbst in Urgeiriça
Uranarbeiter war und heute für die Umweltschutzgruppe Associação
Ambiente em Zonas Uraniferas arbeitet.
Trotz des Vetos der Bürger von Nisa ist die Ausbeutung der Uranvorkommen
noch nicht vom Tisch. Die Entscheidung über Bodenschätze und Bergbau
liegt bei der Regierung in Lissabon, die sich bislang alle Optionen
offen hält. »Wir haben ein Damoklesschwert über unserem Kopf«, warnt
Maria do Carmo Vieira, Nisas Referentin für Tourismus und Entwicklung.
Jederzeit könne die Regierung den Uranbergbau erlauben. Deshalb sei es
wichtig, so Nuno Sequeira von der Naturschutzorganisation Quercus,
»immer wieder an die Fehler zu erinnern, die bei der Uranausbeutung im
Zentrum Portugals begangen wurden.«
* Aus: Neues Deutschland, 21. Dezember 2009
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