Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Adeus, Kredithilfen

Portugal will "sauberen Ausstieg" aus dem Euro-Rettungsschirm – Risiken bleiben

Von Ralf Streck *

Nach Irland verzichtet auch Portugal auf die Möglichkeit, Übergangskredite aus dem Euro-Rettungsschirm zu beziehen. Doch das Land ist anfälliger als vor der Krise.

Einen »sauberen Ausstieg« aus dem Euro-Rettungsschirm hat der portugiesische Regierungschef Pedro Passos Coelho angekündigt. Nach dem Auslaufen der internationalen Finanzhilfen am 17. Mai wird Lissabon keinen Kreditrahmen für den Notfall beantragen, beschloss die Mitte-Rechts-Regierung am späten Sonntag. »Wir haben diesen Entschluss gefasst, weil unsere Rückkehr an die Finanzmärkte gut aufgenommen wurde, weil wir enorme Fortschritte bei der Sanierung des Staatshaushalts erzielt und unsere Glaubwürdigkeit zurückgewonnen haben«, erklärte Coelho in einer Fernsehansprache.

Im Mai 2011 hatten EU und Internationaler Währungsfonds ein Kreditprogramm von insgesamt 78 Milliarden Euro ins Leben gerufen; demnächst wird die letzte Tranche ausgezahlt. Dann will Portugal nach Irland und Spanien als dritter Euro-Krisenstaat finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen. Coelhos Weg ist indes umstritten. Staatschef Aníbal Cavaco Silva hatte für Übergangskredite plädiert, auf die man zurückgreifen könnte, wenn die Marktzinsen wieder stark steigen. Doch die Regierung braucht vor den Wahlen zum Europaparlament unbedingt einen Erfolg. Vor allem Coelhos Sozialdemokratische Partei (PSD), die bei den Kommunalwahlen im Herbst 2013 nicht nur alle großen Städte, sondern auch die Hälfte ihrer Wählerschaft verlor, will ihr absehbares Debakel begrenzen. Coelho möchte seinen Landsleuten Hoffnung signalisieren: »Ich weiß, dass sich die Rückkehr des Wirtschaftswachstums im vergangenen Jahr für viele noch nicht in besseren alltäglichen Lebensbedingungen niederschlägt«, gab er zu. Das Land sei aber »auf dem richtigen Weg«.

Das bezweifeln Experten, die darauf verweisen, dass die Arbeitslosigkeit praktisch nur wegen einer Auswanderungswelle gesunken ist. Die Zahl derer, die 2013 das Land verließen – meist junge und gut ausgebildete Portugiesen –, ist fast deckungsgleich mit der Zahl, um welche die Arbeitslosigkeit gesunken ist: rund 125 000. Die beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zur Finanzierung der Rentenkassen wird die Kaufkraft der unter Lohnkürzungen leidenden Bevölkerung weiter senken und das Wachstum belasten.

Derweil ist Portugal an die Kapitalmärkte zurückgekehrt: Im April wurden zehnjährige Staatsanleihen mit einer Rendite von nur 3,6 Prozent versteigert – auch dank Unterstützung durch die Europäische Zentralbank (EZB). Obwohl die großen Ratingagenturen die portugiesischen Anleihen weiter als »Ramsch« bewerten, können sie von Banken nun bei der EZB als Sicherheit hinterlegt werden. Kürzlich setzte sogar Griechenland wieder Anleihen ab. Das zeigt, dass nicht das Vertrauen in die Krisenländer gestiegen ist, sondern darauf gesetzt wird, dass im Notfall Steuerzahler einspringen.

Um die Haushaltssituation zu schönen, wurde im Fall Irlands und Portugals die Rückzahlung der Hilfskredite weit nach hinten verschoben. Die Etatdefizite liegen aber weiter über der EU-Stabilitätsmarke von drei Prozent. Der »Erfolgsfall« Irland wies 2013 sogar noch 7,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus und Portugal kam nur über einmalige Privatisierungserlöse auf 4,9 Prozent. Die Verschuldung Portugals ist in den drei Rettungsjahren von 94 auf 129 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen und hat sich von der Stabilitätsmarke von 60 Prozent ebenso wie in Irland (124 Prozent) noch weiter entfernt. Klar ist, dass Irland und Portugal heute eher anfälliger für den Fall sind, dass die Stimmung an den Kapitalmärkten wieder umspringt und die Zinsen steigen, als vor der Krise.

Dennoch stieß die Entscheidung der Regierung auf ein positives Echo bei den EU-Partnern und in Brüssel. Allerdings forderte EU-Vizekommissionspräsident Siim Kallas Lissabon zu »extremer Wachsamkeit« auf. Portugal müsse den Reformkurs fortsetzen. Die Finanzminister der Eurozone berieten bei ihrem Treffen am späten Montagmittag über das auslaufende Rettungsprogramm Portugals.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 6. Mai 2014


Zurück zur Portugal-Seite

Zur Portugal-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage