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Rumänien rutscht tief ins Minus

IWF verknüpft Milliarden-Stützungskredit mit strenger Kontrolle

Von Anton Latzo *

Laut muss Rumänien im Jahre 2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um mehr als 4 Prozent rechnen. Das Wachstum der vergangenen Jahre – um 6 Prozent 2007, um 8 Prozent 2008 – war zum größten Teil schuldenfinanziert. Die Abhängigkeit von ausländischem Kapital wird dem Land nun zum Verhängnis.

Die EU-Kommission schätzt, dass Rumäniens Haushaltsdefizit im laufenden Jahr 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen wird. Schrumpfende Steuereinnahmen werden die Regierung zur Aufnahme neuer Kredite zwingen, was dazu führen werde, dass die öffentliche Verschuldung im Jahre 2009 auf 21,1 Prozent des BIP und im Jahre 2010 gar auf 26,8 Prozent wachsen wird. Zum Vergleich: Im Jahre 2008 machte die Schuldenlast noch 15,2 Prozent des BIP aus.

Die Inlandsnachfrage, die in den vergangenen Jahren das Wirtschaftswachstum gestützt hatte, wird diesen Berechnungen zufolge längst nicht mehr im bisherigen Tempo zunehmen. Die EU-Kommission rechnet 2009 mit einer Zunahme von nur 2,2 Prozent gegenüber 11,4 Prozent im Jahre 2008 und 15,7 Prozent 2007. Die offizielle Arbeitslosenrate wird demnach von 6,2 auf 7 Prozent klettern. Die ohnehin niedrigen Löhne werden noch langsamer als bisher wachsen. Bezeichnend ist, dass es dazu jedoch keine genaueren Angaben gibt.

Auch dem Außenhandel wird eine langsamere Entwicklung vorausgesagt, weiterhin wird mehr importiert als exportiert. Im vergangenen Jahr belief sich der Wert der rumänischen Warenexporte auf 34,6 Milliarden Euro. Dem standen Importe für 54,1 Milliarden gegenüber. Die Differenz belief sich also auf fast 20 Milliarden Euro. Diese Tendenz kennzeichnet Rumäniens Entwicklung bereits seit 1990 und dürfte auch in den kommenden Jahre andauern.

Unter diesen Bedingungen hat Rumänien den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EU um Unterstützung gebeten. Nach Ungarn und Lettland erhält nun auch Rumänien als drittes EU-Mitglied einen IWF-Kredit, dessen erste Rate von 4,9 Milliarden Euro dieser Tage überwiesen wurde. Insgesamt wird der IWF 12,9 Milliarden Euro bereitstellen, zusammen mit weiteren Mitteln der Weltbank und der EU soll das Stützungspaket für Rumänien rund 20 Milliarden Euro enthalten. Im Gegenzug musste sich das Land zu strengerer Haushaltsdisziplin verpflichten.

Durch die Kredite sollen die Devisenreserven der Nationalbank aufgestockt werden, um die Vergabe von Krediten im Inland wieder in Gang zu bringen. Der rumänische Finanzmarkt, wie der vieler anderer Staaten Mittelosteuropas, wird indessen von ausländischen Banken dominiert, die einen Marktanteil von 86 Prozent haben. Die größten Stücke der Torte gehören österreichischen, französischen, griechischen und italienischen Geldhäusern, die auch den größten Teil des Kreditgeschäfts machen werden.

Die an die Gewährung des IWF-Kredits geknüpften Bedingungen sind hart. Der Fonds selbst wird das Haushaltsdefizit quartalsweise streng kontrollieren. Schon hat die Regierung durch eine Dringlichkeitsverordnung den vom Parlament bereits verabschiedeten Haushalt umgeschichtet. Noch in diesem Jahr soll das Rentensystem reformiert werden, ebenso das Gehaltssystem für Beamte im öffentlichen Dienst, deren Bezüge in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen waren.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Mai 2009


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