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Ponta muss seine Versprechen einlösen

Rumäniens Regierungschef verfügt nun über klare Mehrheit

Von Silviu Mihai, Bukarest *

Die politische Krise in Rumänien ist - vorerst - beendet. Nach dem deutlichen Sieg der Sozialliberalen Union (USL) bei den Wahlen am 9. Dezember hat Victor Ponta seine neue Regierung formiert.

Der rechtsliberale Staatspräsident Traian Basescu - Victor Pontas Erzfeind - hatte Anfang der Woche dem internationalen Druck nachgegeben und entgegen früheren Aussagen verfassungsgemäß seinen sozialdemokratischen Gegenspieler zum Premier ernannt. Das neue Parlament tagte am Freitag zum ersten Mal. Die USL verfügt über 67 Prozent der Sitze, einer Bestätigung des Mitte-Links-Kabinetts stand also nichts im Wege.

Für Victor Ponta, der bereits seit dem Sturz der rechtsliberalen Koalition im Mai Ministerpräsident ist, bedeutet der neue Amtsantritt einen wichtigen Etappensieg und eine neue, viel größere demokratische Legitimität. Schließlich landeten die Kandidaten der USL in fast 90 Prozent der Wahlkreise auf dem ersten Platz, oft mit über die Hälfte der Stimmen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen der Wähler - und die Herausforderungen.

Erwartet wird, dass die neue Regierung die drastischen Sparmaßnahmen, die Basescu in den vergangenen Jahren durchgesetzt hatte, weitgehend rückgängig macht. Dabei darf sie jedoch nicht die mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarten Verschuldungsgrenzen überschreiten. So hat Ponta versprochen, sämtliche Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor, die 2010 um 25 Prozent gekürzt wurden, wieder auf das frühere Niveau anzuheben. Auch die von den Rechtsliberalen eingefrorenen Renten sollen mindestens um die Inflationsrate erhöht werden.

Das Wahl- und Regierungsprogramm der USL sieht zugleich vor, für dringend nötige Infrastrukturprojekte mehr Geld aus den EU-Strukturfonds zu nutzen. Rumänien konnte bisher lediglich zehn Prozent der ihm zugebilligten Mittel abrufen und gilt damit europaweit als Schlusslicht. Obwohl das Land riesige Investitionen in fast allen Bereichen braucht, scheitern die guten Absichten meistens an der erforderlichen Selbstbeteiligung. »Die rund zehn Prozent der Gelder, die wir mitbringen müssen, um die anderen 90 Prozent zu bekommen, haben wir oft nicht. So ist das, wenn man arm ist«, resümiert der Wirtschaftsexperte Cristian Ogonas.

»Sollten die Wähler feststellen müssen, dass die Arbeit an den Autobahnen und Bahnstrecken nach wie vor auf der Stelle tritt, könnte Ponta seine große Popularität sehr schnell einbüßen«, sagt der Publizist Costi Rogozanu. Unter diesen Umständen droht der Haushalt für 2013 zu einer wahren Quadratur des Kreises zu werden, zumal Pontas USL-Partner, darunter als größte die Nationalliberale Partei (PNL), Steuererhöhungen partout ablehnen. Der ursprüngliche sozialdemokratische Plan, die 16-prozentige Einheitssteuer auf alle Einkommen und Unternehmensgewinne durch ein progressives Steuersystem wie in den meisten europäischen Staaten zu ersetzen, musste auf Druck der Liberalen unter Senatspräsident Crin Antonescu aufgegeben werden.

Hat sie das Budgeträtsel gelöst, möchte die neue Regierung mit ihrer Zweidrittelmehrheit die Verfassung so ändern, dass eine politische Krise wie im Sommer nicht mehr vorkommen kann. Die Beziehungen zwischen Premier und Staatspräsident sollen besser definiert und die Kompetenzen des letzteren wahrscheinlich eingeschränkt werden, ohne dass es zu einem neuen internationalen Skandal kommt. Auch eine Reform der Kommunalverwaltung gehört zu den Prioritäten, könnte aber an der Opposition der mächtigen USL-Bürgermeister und Landkreisvorsitzenden scheitern. Publizist Rogozanu sieht es so: »Ponta steht mit seiner Supermehrheit vor gewaltigen Baustellen. Er muss jetzt schnell liefern.«

* Aus: neues deutschland, Samstag, 22. Dezember 2012


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