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Kurs gegen Armut und Korruption

Ruanda setzt bei der Reform der öffentlichen Verwaltung auf die junge Generation


Von Kai Walter *


Ruanda erlangte durch den Völkermord 1994 traurige Berühmtheit. Inzwischen gilt das Land als ein entwicklungspolitischer Musterknabe. Im Reformprozess und im Kampf gegen Armut und Korruption kann die Regierung von Paul Kagame auch auf deutsche Unterstützung zählen.

John Kalisa sitzt in einem Restaurant in der Nähe des Bahnhof Zoo in Berlin. Bald wird der 30-Jährige in seine Heimat Ruanda zurückkehren. Nach mehr als einem Jahr Unterbrechung wird er in der dortigen Hauptstadt Kigali seine Arbeit als Finanzbeamter im höheren Dienst wieder aufnehmen. Kalisa arbeitet in der Ruanda Revenue Authority, einer Finanzbehörde, die dem Finanzministerium zuarbeitet. Die Revenue Authority ist ein Ergebnis der Dezentralisierungsbemühungen der ruandischen Regierung.

Weiterbildung in Deutschland

Ein Jahr und zwei Monate hat John Kalisa an der Universität Potsdam studiert und gerade erfolgreich seinen Master in Public Management gemacht. Finanziert und organisiert wurde das Studium durch InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung). Im Auftrag der Bundesregierung ermöglicht InWEnt jungen Fachkräften aus Entwicklungsländern eine Weiterbildung in Deutschland. John Kalisa freut sich, in sein Heimatland Ruanda nach Ostafrika zurückzukehren. Dass das nicht selbstverständlich ist, weiß er. Er kennt die Fälle, in denen junge, gut ausgebildete Fachleute aus afrikanischen Ländern nach einer Weiterbildung nicht zurückgehen. Braindrain nennt sich das, wenn Hoffnungsträger, die zur Weiterbildung in den Norden geschickt werden, die neu erworbenen Fähigkeiten auch gleich im Norden einzusetzen versuchen.

Einige gehen in andere Länder Afrikas, weil dort bei nationalen oder internationalen Arbeitgebern mehr zu verdienen ist. In Ruanda ist sich die Regierung solcher Gefahren bewusst und motiviert deshalb junge Fachleute mit Aufstiegs-chancen und guten Gehältern. »Gerade junge Leute bekommen bei uns gute Möglichkeiten, in Regierungsinstitutionen zu arbeiten«, sagt Kalisa. Vor seinem Studium in Deutschland hatte er schon gut verdient. Mit ungefähr 700 Euro monatlich könne man in Kigali sehr gut leben, sagt er, und erzählt von einem Haus mit Swimmingpool und einem Auto. Mit dem Master in der Tasche ist eine Beförderung inklusive Gehaltserhöhung sehr wahrscheinlich. Mindestens ebenso wichtig wie das Geld scheint ihm zu sein, dass er reale Chancen sieht, in Ruanda die Dinge umzusetzen, die er neu gelernt hat. Die Regierung in Ruanda ist laut Kalisa offen für neue Ideen. Im laufenden Reformprozess baue sich Ruanda aus verschiedenen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Modellen und Theorien ein passendes System zusammen. Hybrid-System nennt Kalisa das.

Dass Ruanda in den letzten Jahren Erfolge bei der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung verzeichnen kann, wird allseits bestätigt. Jüngst hat die Bundesrepublik nach Regierungsverhandlungen mit Ruanda die Zusagen für bilaterale Zusammenarbeit für die Jahre 2007 und 2008 auf jeweils 24,5 Millionen Euro verdoppelt. Bei 10 Millionen Euro der zugesagten jährlichen Hilfe handelt es sich um allgemeine Budgethilfe für das ruandische Finanzministerium. Noch vor knapp drei Jahren hatte die Entwicklungshilfeministerin Wie-czorek-Zeul Ruanda aufgrund problematischer politischer Verhältnisse Budgethilfe versagt. Budgethilfe ist kein unumstrittenes Mittel der Entwicklungszusammenarbeit. Nach der Pariser Erklärung zur Effektivität von Entwicklungshilfe aus dem Jahr 2005 gilt Budgethilfe zwar einigen als neues Wundermittel im Ringen um die Erreichung der Millenniumsziele. Andere verweisen jedoch mit Recht darauf, dass Budgethilfe nicht per se zu besserer Regierungsführung und Entwicklung führt. Vielmehr ist gute Regierungsführung und das Vorhandensein nationaler Strategien sogar die Voraussetzung für den entwicklungswirksamen Einsatz von Budgethilfen. Die jüngsten finanziellen Zusagen begründet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der erfolgversprechenden Umsetzung der ruandischen Armutsbekämpfungsstrategie.

Auch durch einen energischen Kampf gegen Korruption, die von vielen als größtes Übel gesehen wird, punktet die Regierung von Paul Kagame bei den Geberländern. »Korruption ist überall. Sie ist wie die Luft überall«, sagt John Kalisa. Die Aussage klingt erdrückend. Korruption eine ebenso unheilbare Krankheit wie Aids? Viele Afrikaner werden nicht müde, Korruption als einen der Hauptgründe dafür anzuführen, wenn es darum geht, zu erklären, warum etwa ein Land wie Ruanda bei einem Wirtschaftswachstum von jüngst sechs Prozent noch immer zu den ärmsten Ländern der Erde gehört. John Kalisa sieht Korruption nicht als unheilbar an. Er setzt sich in seiner Master-These mit den Reformbemühungen der ruandischen Regierung auseinander. Er glaubt daran, dass die aktuelle Verwaltungsreform in Ruanda tatsächlich mehr Service für die Bürger bringen wird. Korruption wird nicht ausgerottet werden. Aber man werde es schaffen, sie soweit einzuschränken, dass sie sich weniger stark auswirkt. Die Steuereinnahmen seien durch Verbesserungen der Strukturen schon erheblich erhöht worden. Das sei ein wichtiger Schritt, um die Entwicklung des Landes verstärkt durch eigene Mittel zu finanzieren, und sich unabhängiger von fremder Unterstützung zu machen. John Kalisa will seinen Beitrag leisten, um der Regierung zunehmend im Land generierte Finanzmittel für ihre Strategien zur Verfügung zu stellen. Er sieht sich als technischer Berater, weniger als Politiker.

Wissensvermittlung in Ruanda

Die verstärkte Unterstützung auch durch die Bundesregierung interpretiert er als Vertrauen, das seinem Lande entgegengebracht wird. Dieses Vertrauen will er rechtfertigen. Bei der Graduierungsfeier an der Universität in Potsdam sprach Professor Geert Bouckaert von Vertrauen in die öffentliche Verwaltung als Grundlage für positive Entwicklungen. Nur wenn die Menschen den Maßnahmen der Regierung und der Verwaltung vertrauen und umgekehrt die Regierenden den Menschen vertrauen, kann es wirkliche Entwicklung geben. John Kalisa wird sein neu erworbenes Wissen nicht nur in der Finanzbehörde anwenden, sondern schon bald an andere weitergeben. Ab September wird er an der School of Finance and Banking in Kigali Kurse geben.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Juli 2007


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