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Russlands Duma startete nicht durch

Endgültige Ratifizierung des Abrüstungsabkommens mit den USA wurde auf Januar nächsten Jahres verschoben

Von Olaf Standke *

Das neue atomare Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland kann frühestens im Januar 2011 in Kraft treten. Die Staatsduma in Moskau verschob die Abstimmung über den START-Vertrag auf nächstes Jahr.

Über einen »Rekorddurchlauf« wurde spekuliert und Duma-Präsident Boris Gryslow hielt die Ratifizierung des START-Vertrags durch die russische Parlamentskammer schon am Freitag, unmittelbar nach dem Washingtoner Votum, für möglich – vorausgesetzt, die Senatoren hätten das Vertragswerk nicht modifiziert.

Und genau da bleiben nach der Lektüre des Kleingedruckten Fragen. So stimmten zwar 350 Abgeordnete in dem von der Kreml-Partei Geeintes Russland dominierten russischen Unterhaus für das Abkommen und nur 58 dagegen; doch teilte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses mit, dass es nur die erste Lesung gewesen sei. Warum, erklärte Konstantin Kossatschow auch: Eine Resolution des Senats ergänzt den Vertragstext um Aussagen zum Raketenabwehrschild und zur Finanzierung der US-amerikanischen Atomarsenale. Die müssten nun erst genau studiert werden.

Man habe nicht das Recht, diese »Interpretation unkommentiert stehen zu lassen«, betonte Kossatschow. Schließlich könnten »unseren amerikanischen Partnern – oder möglicherweise eben Gegnern – zusätzliche Vorteile« entstehen. Seine Partei denkt an zwei eigene Zusatzerklärungen als »Gegengewicht«.

Deshalb wird die Duma nach Ende der Weihnachtsferien am 11. Januar nächsten Jahres wieder zusammenkommen, um den Ratifizierungsprozess mit einer zweiten Lesung fortzusetzen. Wahrscheinlich gibt es sogar eine dritte Lesung. Damit sei die von den Präsidenten Medwedjew und Obama angestrebte synchrone Ratifizierung gescheitert, schrieb die Moskauer Zeitung »Kommersant« am Wochenende. Auch im russischen Oberhaus, dem Föderationsrat, muss das Abkommen noch angenommen werden.

Es sieht vor, die Zahl der strategischen Atomsprengköpfe auf beiden Seiten binnen sieben Jahren um 30 Prozent auf maximal je 1550 zu senken sowie die der Trägersysteme – Raketen, U-Boote und Flugzeuge – auf 800 pro Land zu halbieren. Wobei nicht nicht mehr als je 700 einsatzbereit sein dürfen. Zugleich wird ein System zur gegenseitigen Überwachung der Arsenale installiert. Republikanische Senatoren befürchteten nun, dass das Abkommen die Errichtung eines Raketenabwehrschirms und die Modernisierung der Atomwaffen der USA einschränke. Zudem verfüge es nicht über ausreichend klare Inspektionsregeln.

Während der Washingtoner Senat mit seinem – juristisch allerdings nicht bindenden – Zusatzprotokoll festschreibt, dass weder aus dem START-Nachfolgevertrag noch aus der einseitigen Erklärung Russlands vom 7. April ein Verbot für die USA hervorgehe, ihren Raketenschild weiter auszubauen, sieht Moskau da einen direkten Zusammenhang und stellt zur Bedingung, dass diese Raketenabwehrpläne das russische Kernwaffenpotenzial nicht gefährden dürften. Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow jedenfalls hat jetzt in der Duma erklärt, dass mit dem Vertrag weder der geplante Einsatz der U-Boot-gestützten Bulawa-Rakete behindert noch der Abbau der schweren ballistischen Raketen erforderlich werde. Die im neuen START-Abkommen enthaltenen Restriktionen ermöglichten es Russland noch mindestens 15 Jahre lang seine Kernwaffenkapazitäten zügig weiterzuentwickeln.

»Hätte der USA-Senat die Ratifizierung nicht mit einer Resolution begleitet, hätten wir den Pakt möglicherweise bereits ratifiziert«, betonte Außenminister Sergej Lawrow jetzt – wies aber auch darauf hin, dass der eigentliche Vertrag weder vom russischen noch vom US-amerikanischen Parlament korrigiert worden sei.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Dezember 2010


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