Putin sammelte Punkte in Petersburg
Großprojekte sichern Einfluss in Zentralasien
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Gleich nach dem für ihn durchaus erfolgreich verlaufenen G8-Gipfel sammelte Präsident Wladimir
Putin am Wochenende beim Spitzentreffen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) am
Rande des Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg weitere Punkte.
Erstmals seit langer Zeit gaben sich in »Piter« auch schwierige Partner wieder die Ehre: der
usbekische Präsident Islam Karimow und dessen Kollege Kurbanguly Berdymuchammedow aus
Turkmenistan – obwohl dessen Land der GUS seit August 2005 nur noch als assoziiertes Mitglied
angehört. Offiziell will Berdymuchammedow an diesem Status auch nicht rütteln lassen. Inoffiziell
gehört Turkmenistan inzwischen zu den Vorreitern einer Wiederannäherung der
zentralasiatischenRepubliken an Russland und Kasachstan, die vor allem durch ehrgeizige
Wirtschaftsprojekte betrieben wird.
Eine Absichtserklärung zum Bau einer Leitung, durch die turkmenisches Gas über Kasachstan nach
Russland gepumpt wird, unterzeichneten die Präsidenten der drei Staaten bereits Mitte Mai.
Russland und Kasachstan vereinbarten außerdem den Ausbau einer Pipeline, die kasachisches Öl
zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk transportiert wird. Versuche des Westens, sich
den Zugriff auf die Energieressourcen Zentralasiens unter Umgehung Russland zu sichern, haben
sich damit weitgehend erledigt. Mit weiteren Projekten, die Kasachstans Präsident Nursultan
Nasarbajew am Sonntag als »strategisch« bezeichnete, sicherte sich Russland in Petersburg für die
nächste Zeit maßgeblichen Einfluss in der Region.
Ein Kanal, der die Kaspi-See über das Asowsche mit dem Schwarzen Meer verbindet und dadurch
den Staaten Zentralasiens und ihren Energieressourcen Zugang zu den Weltmeeren verschafft, ist
so gut wie beschlossen. Die geplante Trasse ist 1000 Kilometer kürzer als der Wolga-Don-Kanal,
der von Tankern ohnehin nicht befahren werden kann. Allein das rechtfertigt die gigantischen
Investitionen von bis zu 15 Milliarden Dollar.
Noch spektakulärer ist ein zweites Vorhaben: die Umleitung sibirischer Flüsse, deren Wasser den
Aralsee wieder auffüllen soll. Dessen eigentliche Zuflüsse, Amu-Darja und Syr-Darja, versickern seit
Jahrzehnten in den Baumwollfeldern Zentralasiens. Einst so groß wie Belgien, schrumpfte der See
seit 1960 um fast 80 Prozent. Kasachstan baute mit Unterstützung der Weltbank 2005 zwar einen
Damm, um zumindest den kleineren und tieferen Nordteil zu retten. Doch das reicht nicht aus, um
die Klima- und Umweltkatastrophe rückgängig zu machen.
Den Bau des Kaspi-Kanals hatte Putin in seiner Jahresbotschaft an das Parlament im April aufs
Tapet gebracht. Die Fluss-Umleitung war schon zu sowjetischen Zeiten viel diskutiert, letztlich
jedoch wegen unabsehbarer ökologischer Folgen abgelehnt worden. In Zentralasien erlosch die
Hoffnung auf dieses Projekt jedoch nie gänzlich – und Russland würde sich den einstigen
Sowjetrepubliken mit der Kontrolle über den Wasserhahn auf Dauer unentbehrlich machen.
Dass Nasarbajew sich öffentlich als Vater beider Ideen darstellen durfte, ist Teil eines russischen
Masterplans, demzufolge Kasachstan zur Führungsmacht Zentralasiens aufsteigen soll. Moskau
kann im Hintergrund die Fäden ziehen, muss sich aber in der instabilen Region nicht mehr selbst als
Krisenmanager verschleißen. Das übernimmt Nursultan Nasarbajew, der den Kreml-Oberen die
Kenntnis der Region, ihrer Entscheidungsmechanismen und der Hebel zu ihrer Beeinflussung
voraus hat. Einem erfolgreichen Krisenmanager aber kann die OSZE schlecht den Vorsitz
verweigern, den Kasachstan für 2009 beansprucht. Das aber liegt ebenfalls im Interesse Russlands
* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2007
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