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Russland rüstet Kurilen-Inseln auf

Zunehmende Spannungen zwischen Russland und Japan

Von Ilja Kramnik, RIA Novosti *

Die Spannungen zwischen Russland und Japan um die Kurilen-Inseln scheinen sich weiter zuzuspitzen.

Der Kreml arbeitet derzeit intensiv an einem Entwicklungsprogramm für die Kurilen-Inseln. Es handelt sich unter anderem um die Stärkung der Verteidigung der Kurilen-Inseln für den Fall, dass es in der Region zu einem Militärkonflikt kommt. Russlands Präsident Dmitri Medwedew und Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow kündigten diese Woche an, das Truppenkontingent auf den südlichen Kurilen-Inseln aufzurüsten.

Vorgeschichte

Der jahrelange Streit um die Kurilen-Inseln ähnelt in gewissem Sinne dem Konflikt zwischen Großbritannien und Argentinien um die Falkland-Inseln. Vor dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts hatte es zwischen beiden Ländern jahrelange Verhandlungen und Versuche gegeben, gemeinsame Wirtschaftsprogramme zu verwirklichen.

Dabei nutzte die argentinische Regierung den Konflikt um die Falkland-Inseln immer als Trumpf, um die Bevölkerung von den Problemen im eigenen Land abzulenken.

Die Situation in Japan unterscheidet sich selbstverständlich von der in Argentinien in den 1950er bis 1980er Jahren. Die Situation kann sich jedoch verändern. Die Südkurilen können sich für Japan als günstige Zielscheibe erweisen, um die Aggressionen im eigenen Land in eine andere Bahn zu lenken.

Die Attraktivität dieser Zielscheibe wird größer, je länger Russland mit dem Ausbau der Wirtschaftsinfrastruktur im Fernen Osten wartet. In Bezug auf die militärische Entwicklung des Fernen Ostens benötigt die Region neue Schiffe, Stützpunkte, Flugplätze, Flugzeuge und Menschen, die dort ständig leben und arbeiten.

Bei genauer Betrachtung der Vorgeschichte des Falkland-Konflikts kann festgestellt werden, dass die Entscheidung der argentinischen Staatsführung, einen Militäreinsatz zu beginnen, teilweise mit der Schwäche der britischen Streitkräfte (vor allem der Marine) Ende der 1970er – Anfang der 1980er Jahre zusammenhing. Die ersatzlose Ausmusterung vieler großer Schiffe führte dazu, dass die britischen Flugzeugträgerkräfte geschwächt wurden. Die britische Marine hatte statt vollwertiger Flugzeugträger nur Schiffe mit Senkrechtstartern gehabt.

Was mit Russland?

Die russischen Streitkräfte befinden sich heute in einer ähnlichen Situation. In Bezug auf die Anzahl der konventionellen Waffen hat Japan gegenüber der russischen Fernostregion ein klares Übergewicht. Zudem verfügt es über moderne Waffen bei der Kriegsflotte, der Luftwaffe und den Landstreitkräften.

Russland verfügt auf den Kurilen nur über die 18. Maschinengewehr- und Artilleriedivision (einzige Division der Landstreitkräfte; andere Verbände dieser Truppen wurden in die Brigaden umgewandelt). Diese Division ist kaum in der Lage, die Verteidigung der Insel ohne Unterstützung der Luftwaffe oder der Flugabwehr und der Marine zu gewährleisten.

Dennoch ist es kaum möglich, die Verteidigungsfähigkeit der Kurilen-Inseln alleine durch die Aufstockung der Truppen zu stärken. Die russischen Streikräfte im Fernen Osten müssen qualitativ verbessert werden.

Die Infrastruktur auf den Kurilen muss verbessert werden, damit die Luftstreitkräfte und die Marine in dieser Region im Notfall eingreifen können.

Darüber hinaus muss die Pazifikflotte umgerüstet werden, weil die meisten Schiffe in den kommenden 15 Jahren ausgemustert werden. Die Pazifikflotte bekommt zwar zwei Mistral-Hubschrauberträger, das reicht jedoch kaum aus. Diese Schiffe benötigen einen starken Geleitschutz. Die Pazifikflotte braucht neue Korvetten und Fregatten, die nicht nur die Mistral-Schiffe beschützen, sondern auch andere Aufgaben erfüllen können (vom Kampf gegen U-Boote bis zur Unterstützung der Landungstruppen).

Zudem muss die Gruppierung der Luftwaffe verstärkt und die Präsenz russischer Kampfflugzeuge auf der Sachalin-Insel wiederhergestellt werden. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, schnell auf sich verändernde Situationen in der Region zu reagieren. Auf den Kurilen können Mehrzweck- und Kampfhubschrauber stationiert werden sowie startbereite Kampfjets auf einem neuen vorgelagerten Flugplatz. Ein ständiger Stützpunkt für die Frontfliegerkräfte ist unnötig, weil er sehr angreifbar wäre.

Willst Du Frieden, rüste zum Krieg

Bislang handelt es sich nicht um Maßnahmen, sondern um Absichten. Deren Umsetzung ist jedoch notwendig, um selbst die radikalsten Politiker in Japan zu überzeugen, dass eine Rückgabe der Kurilen-Inseln nicht in Frage kommt.

Dabei kann Russland von der Situation auf der Korea-Halbinsel (derzeit wird Japan vor allem dadurch bedroht) und der zunehmenden Stärke Chinas profitieren, das mit Japan im Dauerclinch liegt. Die Stärkung der Verteidigungsmöglichkeiten Russlands auf den Kurilen kann dazu führen, dass sich die japanischen Politiker mehr auf die Lösung von akuteren und aussichtsreicheren Sicherheitsfragen konzentrieren.

Auch die Tatsache sollte berücksichtigt werden, dass das Militärpotential ohne politischen Willen kaum den Schutz der Terriorien gewährleisten kann. Falls die Politiker und die Militärs bereit sind, die Interessen und Würde des Landes und der Menschen zu verteidigen, können selbst kleinere Kräfte Erfolge bringen.

1982 hatte Großbritannien es geschafft, die Falkland-Inseln zurückzubekommen. Dieser Erfolg war vor allem der Hartnäckigkeit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher zu verdanken.

Die russische Staatsführung hat heute eine andere Aufgabe - ohne auf Militäraktionen zurückzugreifen, die Bereitschaft zu zeigen, die Interessen Russlands und seine territoriale Integrität zu verteidigen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 11. Februar 2011; http://de.rian.ru



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