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Mistral-Kriegsschiff: vielseitig einsetzbares Landungsschiff

Deal mit Frankreich irritiert Russlands Nachbarn

Von Ilja Kramnik *

Die Verhandlungen zwischen Russland und Frankreich über den Kauf eines Mistral-Landungsschiffs scheinen kurz vor dem Abschluss zu stehen.

Auch der Bau von weiteren drei Schiffen dieses Typs auf russischen Werften kommt dabei in Frage. Präsident Dmitri Medwedew erklärte, dass Russland Interesse an diesem Deal habe. Der anvisierte Vertrag wird nicht nur in Russland und Frankreich, sondern auch in mehreren anderen europäischen Ländern diskutiert, die Befürchtungen über eine Aufrüstung der russischen Flotte äußern.

Das vielseitig einsetzbare Landungsschiff kann die langzeitige Präsenz einer Marineinfanteriegruppe mit Luftwaffenunterstützung an einem abgelegenen Kriegsschauplatz sichern. Ebenfalls kann das Schiff die Landung von Truppen auf einer nicht dafür geeigneten Küste durch Landungsboote und Hubschrauber gewährleisten. Die Mistral kann auch als Flaggschiff eines Friedenstruppenverbandes fungieren oder als Stützpunkt und Hospital in Katastrophengebieten dienen.

Militärexperte Ruslan Puchow, Leiter des russischen Zentrums für die Analyse von Strategien und Technologien, hat die Meinung geäußert, dass der Erwerb eines solchen Schiffs gleichzeitig mit Korvetten und Fregatten auf lange Sicht gerechtfertigt sei. In den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten wird Russland eine stabile Präsenz der Flotte sowohl in den anliegenden Gewässern als auch auf den Weltmeeren nötig haben.

Das Landungsschiff wird unter diesen Bedingungen als mobiles Element der militärischen Infrastruktur angesehen, das Operationen und Einsätze der notwendigen Kräfte in den Konfliktgebieten ermöglicht.

Solche Schiffe können für die militärische Präsenz sowohl nahe der Kurilen-Inseln und der gesamten Fernost-Region als auch in anderen strategisch wichtigen Gegenden sorgen. Dazu zählen Afrika, Südostasien, die Antarktis und andere Gebiete der Weltmeere, wo Lokalkonflikte entstehen können, die Russlands Interessen betreffen können.

Der Erwerb des französischen Landungsschiffes und der Bau von weiteren Schiffen dieses Typs auf russischen Werften sind nicht nur für das Militär, sondern auch für die Industrie von Bedeutung. Der Vertrag soll der russischen Industrie die Möglichkeit geben, sich mit den westlichen technologischen und organisatorischen Leistungen vertraut zu machen.

Die Gestaltung des Schiffsinneren wird durch ziemlich hohe Anforderungen an den Komfort für die Schiffsmannschaft und die 450 Mann starke Landetruppe bestimmt. Die Zahl der Landetruppen und die Nutzflächen der Hangars und Ladungsdecks sind deswegen eingeschränkt worden, was wiederum die Zahl der Waffen und Hubschrauber begrenzt.

Gegenwärtig besteht die Schlüsselfrage darin, wie viele Veränderungen an der Schiffskonstruktion nach den Anforderungen der russischen Marine vorgenommen werden können. Bislang unklar, ob das Schiffsinnere umgebaut werden soll und ob Maßnahmen zur Verlängerung seiner Dienstzeit und Beständigkeit im Kampf geplant sind.

Solche Veränderungen beinhalten die Erhöhung des Landetruppenkontingents, die Vergrößerung der Hangarflächen und des Ladedecks sowie die Verstärkung der Brandschutzausrüstung. Damit soll das Schiff stärker und kampffähiger gemacht werden. Ohne diese Veränderungen kann das Schiff kaum als guter Kauf für die russische Marine gelten.

Der endgültige Preis lässt sich nur dann ausrechnen, wenn die Frage über den endgültigen Zustand des Schiffs beantwortet wird. Gegenwärtig beträgt der Preis für ein Schiff des Projekts BPC 160 etwa 400 Millionen Euro. Doch er wird im Hinblick auf den erforderlichen Umbau offensichtlich anwachsen. Weil Russland noch drei Schiffe auf eigenen Werften bauen will, kann der Preis auf knapp zwei Milliarden Euro ansteigen.

Die Verhandlungen über den Deal werden von einer Reihe von politischen Kuriositäten begleitet. Der mögliche Kauf der Mistral hat die Staats- bzw. Regierungschefs von mehreren Nachbarländern Russlands wie den baltischen Ländern und Georgien alarmiert. Sie befürchten, dass die Mistral gegen ihre Territorien eingesetzt wird.

Diese Position spiegelt im Grunde genommen das für diese Länder typische politische "Opfersyndrom" wider. Es sieht so aus, als ob Georgien und die baltischen Länder durch Spekulationen über eine potentielle "russische Aggression" nicht so sehr die Aufmerksamkeit auf die eigene Sicherheit lenken wollen. Vielmehr wollen sie damit die Vertiefung der Beziehungen zwischen Russland und Frankreich, einem der führenden Länder der EU, verhindern.

Die Baltenländer und Georgien scheinen sich indes wenig Gedanken zu machen, ob es sinnvoll ist, ein Ozeanschiff zur Aussetzung von Landetruppen in kleinen Ländern einzusetzen, die eine Landesgrenze zu Russland haben und neben den russischen Marinestützpunkten liegen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der der RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 27. Februar 2010; http://de.rian.ru


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