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Noch zeichnet sich kein Durchbruch ab

Moskaus Erwartungen an Obamas zweite Amtszeit

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Wenn er erst für eine zweite Amtszeit bestätigt ist, werde er beim Streit mit Russland um die geplante Raketenabwehr flexibler sein. Es waren Worte, die Barack Obama die Wiederwahl hätten kosten können: Als er sie bei einem Treffen mit Dmitri Medwedjew im Frühjahr 2012 sagte, glaubte er die Mikrofone ausgeschaltet.

Moskaus Hoffnungen auf Einlösung des Versprechens halten sich angesichts der republikanischen Mehrheit im Kongress in Grenzen. Auch deshalb schieben beide Seiten den Termin für einen Russlandbesuch Obamas und seinen ersten umfassenden Meinungsaustausch mit Wladimir Putin immer wieder vor sich her. Vor dem G-20-Gipfel, der Anfang September in St. Petersburg stattfindet, werde daraus wohl nichts, wusste die Wirtschaftszeitung »Kommersant« aus verlässlichen Quellen. Das sei auf das »Fehlen von Vereinbarungen im Bereich der Rüstungskontrolle und der Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen« zurückzuführen.

Es werde zwar viel diskutiert, twitterte Freitag auch der Chef des Auswärtigen Duma-Ausschusses, Alexej Puschkow. Ein Durchbruch zeichne sich aber noch nicht ab. Kein Wunder: Die Positionen beider Seiten schließen einander aus.

Moskau sieht seine Verteidigungsfähigkeit durch die geplante Stationierung von Raketenabwehrstellungen und Radars unmittelbar an seinen Grenzen im Westen und Südwesten akut bedroht und verlangt von den USA völkerrechtlich verbindliche Garantien dafür, dass diese Systeme nicht gegen Russland gerichtet sind. Washington dagegen ist bisher nur zu mündlichen Zusagen bereit. Auch Verhandlungen über eine Beteiligung Russlands an der globalen Raketenabwehr treten auf der Stelle. Moskau hatte schon im November 2010 ein eigenes Modell vorgestellt. Dessen Kerngedanke besteht darin, dass an einer solchen Raketenabwehr alle Staaten Europas unabhängig von ihrer Bündniszugehörigkeit beteiligt werden müssen. Auch damit konnten sich die USA bisher nicht anfreunden.

Experten halten einen Kompromiss schon deshalb für unwahrscheinlich, weil das bilaterale Verhältnis derzeit frostig ist. Washingtons Sanktionen für russische Menschenrechtssünder und der daraufhin von Moskau verfügte Stopp für Adoptionen russischer Kinder durch US-Pflegeeltern sind nur die Spitze des Eisbergs. Vor allem, glaubt Andrej Piontkowski, Experte für russisch-amerikanische Beziehungen, sei das gegenseitige Misstrauen aus den Zeiten des Kalten Krieges noch nicht überwunden. Daher gelte: Das Beste hoffen und sich trotzdem auf das Schlimmste gefasst machen.

Einen Plan B für diesen Fall hat Russland bereits. Er sieht neben dem Ausstieg aus dem unter Mühen ausgehandelten und inzwischen von beiden Parlamenten ratifizierten Neu-START-Vertrag zur Begrenzung strategischer Offensivwaffen - gemeint sind mit Kernsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen - einen eigenen russischen Abwehrschild vor. Damit und sogar mit einem möglichen Präventivschlag hatte der damalige Generalstabschef Nikolai Makarow schon im Mai 2012 gedroht. Ebenso mit der Möglichkeit, neue Stoßtruppen an Russlands Grenzen aufzustellen, die mit Kurzstreckenraketen des Typs »Iskander« bewaffnet werden.

Geplant ist zudem, die strategischen Raketentruppen zügig mit modernen Langstreckenraketen der Klassen »Topol M« und »Jars« zu bewaffnen. Die könnten laut dem ehemaligen Stabschef der Raketentruppen Viktor Jessin in 20, spätestens 30 Jahren jede Raketenabwehr überwinden.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 05. Februar 2013


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