Kampf um Wasser und Energie in Zentralasien
Zwänge ehemaliger Sowjetrepubliken bringen Russland Vorteile und politisches Wohlverhalten
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Am zweitägigen Gipfel der Organisation für Kollektive Sicherheit – dem Verteidigungsbündnis der
UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS – und des Euroasiatischen Wirtschaftsraumes, der an diesem
Mittwoch (4. Feb.) beginnt, wird Tadshikistans Präsident Emomali Rachmon teilnehmen. Ein vorher geplantes
Treffen mit seinem russische Amtskollegen Dmitri Medwedjew dagegen lehnte er ab. Der Grund: Tief greifende Differenzen zu Russlands Versuchen, sein Einflussmonopol in Zentralasien mit
wirtschaftlichen Daumenschrauben aufrechtzuerhalten. Dabei geht es um Energie, mehr und mehr
jedoch auch um Wasser. Über beides verfügt die Region reichlich, nur sind die Vorräte höchst ungleich verteilt.
In den Bergen Tadshikistans und Kirgistans entspringen Amudarja und Syrdarja. Von ihrem Wasser
sind auch die Staaten in der Ebene – Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan – hochgradig
abhängig. Sie verfügen dafür über reichlich Öl und Gas. Zu Sowjetzeiten sorgte Moskau für den
Ausgleich. Seit 1991 souverän, haben die einstigen »Bruderrepubliken« auch das souveräne
Verfügungsrecht über ihre Ressourcen und setzen diese gegeneinander als Druckmittel ein: Als
Antwort auf stetig steigende Energiepreise stauen die rohstoffarmen Bergrepubliken die Flüsse auf
und betreiben damit ihre Wasserkraftwerke. Sie erzeugen dort fast den gesamten Strom, können
den Bedarf im Winter jedoch nicht decken. Geld für Erweiterungen und Neubauten aber haben sie
nicht.
Einziger Ausweg aus dem Dilemma – Kredite. Moskau kennt die Zwänge und macht die Vergabe
mehr und mehr von politischem Wohlverhalten abhängig.
So honorierte Medwedjew den Verkauf der gesamten Gasförderung Usbekistans an Russland mit
Zusagen, den nach dem Ende der Sowjetunion eingefrorenen Bau des Rogun-Kraftwerks am
Wachsch in Tadshikistan bei Einwänden der Nachbarn nicht zu finanzieren. Ohne Darlehen, das
Medwedjew, damals noch Erster Vizepremier, bei seinem Besuch in Duschanbe im August 2007
versprach, aber will Tadshikistan, von einem mehrjährigen Bürgerkrieg zerrüttet und eines der
ärmsten Länder weltweit, Moskau einen Militärflugplatz im Norden des Landes nicht überlassen.
Denn an dem haben auch Indien, China, Iran und vor allem die USA, die ihre Truppen im
benachbarten Afghanistan mit Nachschub versorgen müssen, bereits Interesse angemeldet. Und für
neue Wasserkraftwerke will der tadshikische Präsident Rachmon kommende Woche in Brüssel bei
der EU Geld locker machen.
Tadshikistan stand bisher treu zu Moskau, das dort auch 5000 Soldaten stationiert hat, sieht zu
einem außenpolitischen Kurswechsel aber offenbar keine Alternative. Weil Usbekistan inzwischen
auch die Weiterleitung von Strom aus Turkmenistan verweigert, musste Rachmon den Notstand
ausrufen.
Nachbar Kirgistan sieht sich mit ähnlichen Zwängen konfrontiert. Abschreibungen von 180 Millionen
US-Dollar Schulden, einen Stabilisierungskredit von 450 Millionen Dollar und den Ausbau der bereits
aus sechs Kraftwerken bestehenden Kaskade am Naryn durch russische Unternehmen will der
Kreml von der Kündigung der Truppenbasis Gaki bei Bischkek abhängig machen, die Washington
als Umschlagplatz für den Afghanistan-Nachschub nutzt. Zwar dementierte das kirgisische
Außenamt die Meldung mit Vehemenz. Der Deal, so jedoch das sonst für Spekulationen
unempfängliche russisches Staatsfernsehen, stehe in der Tat auf der Tagesordnung von
Medwedjews Konsultationen mit seinem kirgisischen Amtskollegen Kurmanbek Bakijew. Dieser trat
erst am Dienstag seinen ursprünglich schon für Mitte Januar geplanten Moskau-Besuch an und wird
dabei von einem neuen Außenminister begleitet. Denn der abgesetzte hatte sich öffentlich für
Washingtons militärische Präsenz in Kirgistan ins Zeug gelegt.
* Aus: Neues Deutschland, 4. Februar 2009
Weitere Meldungen
Postsowjetisches Bündnis OVKS besiegelt gemeinsame Eingreiftruppe
MOSKAU, 04. Oktober (RIA Novosti). Die Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit (OVKS), die im Westen oft als Gegenentwurf zur Nato betrachtet wird, hat die Aufstellung einer gemeinsamen Eingreiftruppe abgesegnet.
Ein entsprechendes Abkommen wurde am Mittwoch in Moskau von den Staatschefs Russlands, Armeniens, Weißrusslands, Kasachstans, Tadschikistans, Kirgisiens und Usbekistans unterzeichnet. Das bestätigte der armenische Präsident Serge Sargsjan vor Journalisten.
„Alle Anwesenden haben sich darauf geeinigt, dass diese Entscheidung notwendig ist“, sagte der russische Präsident Dmitri Medwedew.
Im Fall eines Militärkonflikts soll die Eingreiftruppe jede Aggression gegen das Bündnis abwehren. Weitere Aufgaben bestehen darin, gegen den internationalen Terrorismus, den Drogenhandel und die grenzübergreifende Kriminalität vorzugehen sowie Katastrophen zu bekämpfen.
Kirgisien bestätigt Verzicht auf US-Luftwaffenbasis
MOSKAU, 03. Februar (RIA Novosti). Die kirgisische Staatsführung hat sich für die Schließung der US-Luftwaffenbasis Manas entschieden, bestätigte Präsident Kurmanbek Bakijew.
„Kirgisiens Regierung hat beschlossen, die Aufenthaltsfrist der Basis zu beenden“, sagte Bakijew am Dienstagabend in Moskau.
Erst am Vortag hatte der Nato-Beauftragte für den Kaukasus und Zentralasien, Robert Simmons, Kirgisien vor der Schließung des Stützpunktes gewarnt.
„Sollte sich die kirgisische Regierung für die Schließung entscheiden, werden wir das natürlich bedauern, denn diese Basis spielt eine sehr wichtige Rolle für den Nato-Einsatz in Afghanistan“, betonte Simmons am Montag in Bischkek.
Die US-Luftwaffenbasis Manas war im Dezember 2001 mit Zustimmung der UNO eröffnet worden, um den internationalen Anti-Terror-Einsatz in Afghanistan zu unterstützen. Zurzeit befinden sich über 1.000 US-Soldaten sowie Militärtransportflugzeuge auf diesem Stützpunkt.
Beide Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru/
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