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"Russland muss ein souveränes und einflussreiches Land bleiben"

Jahresbotschaft von Präsident Putin an die Föderative Versammlung *


Russlands Präsident Wladimir Putin hat am 12. Dezember 2012 seine Jahresbotschaft an die Föderalversammlung gerichtet. (Siehe auch: Putin sieht Russland mit neuer Stärke.) Der Staatschef benannte dabei die Ziele und Aufgaben für seine Amtszeit. Die Föderationsversammlung besteht aus beiden Kammern des Parlaments.
Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Artikeln der Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, die sich alle mit Teilaspekten der Rede Putins befassen.



Am Wendepunkt der Geschichte muss Russland seine Identität bewahren

Die nächsten Jahre werden laut Präsident Wladimir Putin Russland und der Welt Wandel bringen. „Wir treten in die Epoche globaler Veränderungen und vielleicht auch Erschütterungen“, sagte er in seiner Jahresbotschaft an die Föderative Versammlung.

„Die nächsten Jahre werden nicht nur für uns, sondern praktisch für die ganze Welt entscheidend sein und vielleicht sogar einen Wendepunkt bedeuten“, so der Staatschef Russlands.

Russland müsse dabei ein souveräner und einflussreicher Staat bleiben. „In der Welt des 21. Jahrhunderts muss Russland angesichts der neuen Konstellation der wirtschaftlichen und der militärischen Kräfte wie auch der Zivilisationskräfte ein souveränes und einflussreiches Land bleiben“, sagte Putin. Um „sich nicht als Nation zu verlieren und Russland zu bleiben“ gelte es nicht nur, sich souverän zu entwickeln, sondern auch die nationale und geistige Identität zu bewahren.

„Ein Nährboden für neue Konflikte wirtschaftlichen, geopolitischen und ethnischen Charakter ist im Entstehen, die Konkurrenz um Ressourcen verhärtet sich, und zwar nicht nur um Metalle, Öl und Gas, sondern in erster Linie um die Ressource Mensch und um seinen Intellekt“, so Putin. „Wer an die Spitze kommt und wer Außenseiter bleibt und unweigerlich seine Selbständigkeit einbüßt, hängt nicht nur vom Wirtschaftspotential, sondern in erster Linie vom Willen einer Nation und deren innerer Energie ab.“

„Russland muss nicht nur weiterhin geopolitisch gefragt sein, es muss diesen Faktor verstärken“, führte der Präsident weiter aus. „Es muss von unseren Nachbarn und Partnern gefragt sein. Dies ist für uns selbst wichtig, dies betrifft unsere Wirtschaft, Kultur, Forschung und Bildung, unsere Diplomatie und insbesondere unsere Fähigkeit, in der internationalen Arena kollektiv zu handeln.“

„Nicht zuletzt betrifft dies unsere Militärmacht, die ein Garant der Sicherheit und Unabhängigkeit Russlands bleibt“, fügte er hinzu.


Russland muss zum weltweit größten Lebensmittelexporteur werden

Russland muss laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre die vollständige Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln erreichen und sich zum weltweit größten Lebensmittellieferanten entwickeln.

„Die Nachfrage nach Lebensmitteln nimmt in der ganzen Welt, insbesondere in den sich entwickelnden Ländern, rasant zu. Auf Russland entfällt, wie Sie wissen, mehr als die Hälfte der fruchtbaren Böden unseres Planeten - 55 Prozent. Wir müssen innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre unsere Unabhängigkeit in Bezug auf alle wichtigsten Lebensmittelarten sichern. Danach muss Russland zum weltweit größten Lebensmittelproduzenten werden“, sagte Putin am Mittwoch in seiner Jahresbotschaft an die Föderationsversammlung.

„Damit würden für uns enorme neue Möglichkeiten eröffnet“, so Putin.

In Russland war Anfang 2010 die Doktrin der Lebensmittelsicherheit bestätigt worden, die die Eigenversorgung Russlands mit Getreide und Kartoffeln zu 95 Prozent, mit Milch und Milcherzeugnissen zu 90 Prozent, mit Fleisch und Fleischerzeugnissen zu 85 Prozent sowie mit Fischerzeugnissen, Zucker und Pflanzenöl zu 80 Prozent vorsieht.

Die genannten Parameter wurden in dem in diesem Jahr bestätigten Staatsprogramm zur Entwicklung der russischen Landwirtschaft für die Jahre 2013 bis 2020 berücksichtigt. Russland hat bereits bei einigen Lebensmittelarten, so bei Geflügelfleisch, die festgesetzten Kennzahlen erreicht. Zugleich muss Russland trotz der steigenden Lebensmittelproduktion immer noch Fleisch und Milcherzeugnisse in großen Mengen einführen.

Russland ist heute einer der Spitzenreiter beim Export von Getreide sowie ein bedeutender Lieferant von Zucker, Ölfrüchten und Pflanzenöl.


Stabilisierung der Einwohnerzahl Russlands größte Errungenschaft der letzten Zeit

Russlands größte Errungenschaft der zurückliegenden 12 Jahre ist laut Präsident Wladimir Putin die Stabilisierung der Bevölkerungszahl, unter anderem dank der Demographie-Programme der Regierung.

Seit 2000 war die Einwohnerzahl um eine Million jährlich zurückgegangen, stellte Putin fest.

„Es schien unmöglich zu sein, diese Katastrophe zu stoppen. Die demographische Prognose klang damals wie ein endgültiges Urteil für das Land“, sagte Putin am Mittwoch in seiner Jahresbotschaft an die Föderative Versammlung.

Es sei dennoch gelungen, diese zerstörerische Tendenz umzukehren. „Nach dem Start der Demographie-Programme hat sich die Bevölkerungszahl stabilisiert, ab 2010 hat ein Wachstum begonnen. Das ist unsere wichtigste Errungenschaft“, hieß es.

„Ich erwähne das, damit die Menschen uns vertrauen und ihre Planungshorizonte erweitern, damit sie daran glauben, dass die Stabilität die wichtigste Voraussetzung für eine Entwicklung und Verbesserung des Lebens ist.“

„Ich spreche davon, weil wir dieses Vertrauen schätzen müssen“, so Putin.


Putin fordert Beschränkungen für ranghohe Beamte beim Eigentumsbesitz im Ausland

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Mittwoch in seiner Jahresbotschaft an die Föderationsversammlung gefordert, gesetzlichen Beschränkungen für die Beamten und Politiker beim Besitz von Eigentum, Bankkonten und Wertpapieren im Ausland zuzustimmen.

„Ich bitte, die Gesetzesvorschläge zur Einschränkung der Rechte von Beamten und Politikern auf Bankkonten, Wertpapiere und Aktien im Ausland zu unterstützen“, so der Präsident

Habe ein Mensch den Staatsdienst gewählt, so müsse er auf etliche Beschränkungen vorbereitet sein und besonderen Anforderungen entsprechen, wie das faktisch in allen Ländern der Welt üblich sei, sagte Putin.

„Diese Forderung gilt für alle Staatspersönlichkeiten, die Schlüsselentscheidungen zu treffen haben: die ersten Persönlichkeiten des Staates, die Regierung, die Administration des Präsidenten sowie ihre nächsten Verwandten“, ergänzte der Präsident.

Putin teilte auch mit, dass jeder Beamte sein Eigentum im Ausland deklarieren und über den Wert und die Herkunft der Einkünfte Rechenschaft ablegen müsse, die den diesbezüglichen Kauf ermöglicht hätten.

„Kann ein Beamter oder Politiker, der schöne Worte über das Wohl Russlands sagt und dabei sein Geld ins Ausland auszuführen versucht, als vertrauenswürdig gelten?“, so Putin.


Geschäftswelt muss zum Wohl des Landes beitragen

Das Business kann laut Russlands Präsident Wladimir Putin nur dann den Respekt der Gesellschaft gewinnen, wenn es patriotisch gesinnt ist und nicht nur dem eigenen Wohlergehen, sondern auch dem Wohl des Landes dient.

„Das Business muss sowohl für den eigenen Erfolg, als auch für das Land arbeiten. Es muss talentierte Organisatoren, Mäzene und Patrioten hervorbringen, die etwas im Kopf haben, wie das früher der Fall war“, sagte Putin am Mittwoch in einer Jahresbotschaft an die Föderative Versammlung.

Nur dann sei es möglich, in der Gesellschaft Respekt gegenüber der Unternehmergemeinschaft zu festigen, hieß es.

Zugleich verwies Putin auf die Notwendigkeit, das Unternehmertum zu unterstützen. Sobald Russland zu der Top-20 der Länder mit dem besten Geschäftsklima gehöre, werde dies laut Experten eine BIP-Anhebung um zusätzlich mindestens 2,5 Prozent ermöglichen.

Der Zuwachs werde dabei in erster Linie in kleinen und mittelständischen Unternehmen außerhalb des Rohstoffsektors entstehen.

„Dies ist eine deutliche Antwort an diejenigen, die glauben, dass unser Wachstum maximal vier Prozent betragen kann“, so Putin.


Putin warnt vor Nationalismus und Chauvinismus

Präsident Wladimir Putin zufolge fügen Nationalismus und Chauvinismus dem russischen Volk direkten Schaden zu.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass jede Art von Nationalismus und Chauvinismus dem ganzen Volk und jenem Ethnos, um dessen Interessen die Nationalisten angeblich besorgt sind, einen direkten und enormen Schaden zufügen. (…) Deshalb sind jegliche Erscheinungsformen der so genannten einfachen und endgültigen Lösungen, die Nationalisten und Extremisten unterschiedlichen Schlages und verschiedener Schattierungen anbieten, für Russland derart gefährlich. Welche tönenden Worte sie auch immer verwenden, sie ziehen uns in Richtung der gesellschaftlichen Degradierung, ziehen das Land in Richtung Zerfall“, sagte der Präsident in seiner Botschaft an die Föderalversammlung (Parlament).

Wie er weiter ausführte, werde Russland das Aufkommen geschlossener ethnischer Enklaven, die außerhalb des einheitlichen rechtlichen und kulturellen Feldes leben, nicht zulassen.


Staatsdiktat für Denken und Moral unzulässig

Das Gesetz muss laut Russlands Präsident Wladimir Putin die Moral schützen, darf aber diese nicht festlegen.

„Das Gesetz kann die Moral schützen und muss das tun, aber man darf nicht die Moral per Gesetz bestimmen“, sagte Putin am Mittwoch in seiner Jahresbotschaft an die Föderative Versammlung.

„Die Versuche des Staates, in den Bereich der Anschauungen und Überzeugungen der Menschen einzudringen, ist zweifelsohne eine Erscheinungsform des Totalitarismus und ist für uns absolut inakzeptabel. Wir haben nicht vor, diesen Weg zu gehen“, hieß es.

Es sei notwendig, nicht Verbote und Beschränkungen zu praktizieren, sondern die geistig-sittliche Grundlage der Gesellschaft zu festigen.

„Eben deshalb erhalten die Fragen der Allgemeinbildung, der Kultur, der Jugendpolitik und der Ethik eine entscheidende Bedeutung. Diese Bereiche sind kein Dienstleistungspaket, sondern in erster Linie ein Raum zur Bildung eines moralischen und harmonisch entwickelten Menschen und eines verantwortungsbewussten Bürgers Russlands“, fügte Putin an.


Staatsmacht darf keine isolierte Kaste sein

Laut Präsident Wladimir Putin dürfen die Behörden in Russland keine isolierte Kaste darstellen.

„Die Verantwortung für das Land formiert sich nicht durch Losungen und Aufrufe, sondern wenn die Menschen sehen, dass die Behörden transparent und zugänglich sind und im Namen des Landes, der Stadt, der Region und der Siedlung tüchtig arbeiten sowie der öffentlichen Meinung Rechnung tragen. Die Obrigkeit darf keine isolierte Kaste sein“, so Putin in seiner Botschaft an die Föderalversammlung (Parlament).


Drei-Kind-Familie muss in Russland zur Regel werden

Drei Kinder pro Familie müssen laut Russlands Präsident Wladimir Putin in Russland zur Regel werden.

„Demographen bekräftigen, dass die Entscheidung für ein zweites Kind potentiell eine Entscheidung für ein drittes Kind darstellt. Es ist wichtig, dass sich die Familie für diesen Schritt entscheidet“, sagte Putin am Mittwoch in seiner Jahresbotschaft an die Föderative Versammlung.

„Trotz der Zweifel einiger Experten, die meine hohe Achtung genießen, bin ich sicher, dass die Drei-Kind-Familie zur Regel werden muss.“

* Alle Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, Mittwoch, 12. Dezember 2012; http://de.rian.ru

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