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Ölmarkt wird aufgemischt

Russischer Konzern Rosneft plant Megaübernahme

Von Elke Windisch, Moskau *

Der Ölmarkt steht vor einem spektakulären Milliarden-Deal: Mit Rückendeckung von Präsident Wladimir Putin soll der russische Staatskonzern Rosneft zum größten börsennotierten Ölförderer der Welt aufsteigen.

Spitzenmanager des britischen Ölkonzerns BP berieten am Freitag über ein spektakuläres Angebot: Der russische Staatskonzern Rosneft möchte jene 50 Prozent übernehmen, die BP derzeit an dem russisch-britischen Joint Venture TNK-BP hält. Wie russische Medien melden, soll BP rund 20 Milliarden US-Dollar und zusätzlich 10 bis 20 Prozent der Rosneft-Anteile bekommen. Für die Übernahme der TNK-BP-Anteile, die im Besitz des russischen Konsortiums AAR sind, will Rosneft weitere 28 Milliarden Dollar zahlen.

Das russische Energieministerium hat den Deal bereits genehmigt. Er, so ließ sich Minister Alexander Nowak von der staatsnahen Nachrichtenagentur ITAR- TASS zitieren, sehe nicht die Gefahr eines Monopols. Präsident Wladimir Putin hatte schon im September grünes Licht für das Vorhaben gegeben. Eigens dazu war BP-Chef Bob Dudley in die Schwarzmeer-Residenz des Kremlfürsten bei Sotschi geflogen.

Russische wie westliche Beobachter sprechen von Kapitulation, deren Bedingungen Putin und dessen Dunstkreis den Briten diktierten. TNK-BP ist Russlands drittgrößter Ölförderer. Deren Tagesförderung, etwa eine Million Barrel, entspricht einem Drittel der täglichen Gesamtleistung von BP. 27 Prozent der gesamten Ölreserven des britischen Konzerns kon-trolliert ebenfalls die Gemeinschaftsfirma. Das Gezerre begann schon 2008. Massiv unter Druck gesetzt, flüchtete der damalige TNK-BP-Chef Dudley damals aus Russland.

Doch die Briten haben einigen Grund, gute Miene zum bösen Spiel zu machen: Kommt der jetzt angepeilte Deal zustande, steigt BP zum größten Rosneft-Aktionär nach dem russischen Staat auf, der derzeit 75 Prozent der Anteile hält. 15 Prozent befindet sich in Streubesitz. Rosneft-Chef Igor Setschin, so glauben russische Analysten, wird zum weltweit einflussreichsten Mann im Energiebereich. Setschin gehört zum engsten Freundeskreis Putins, beide kennen sich seit gemeinsamen KGB-Tagen.

Russische Experten erklären die - zuvor mehrfach gescheiterten - Bemühungen von Rosneft und BP um eine »strategische Partnerschaft« vor allem mit der Realisierung gemeinsamer Projekte in der Arktis. Dort lagern mehrere Milliarden Tonnen Öl und Gas. Russland bemüht sich daher seit Jahren um die Nord-Erweiterung seiner 200-Meilen-Wirtschaftszone im Eismeer. Der Klimawandel, der die polnahen Gewässer schon bald ganzjährig eisfrei machen könnte, erleichtert den Zugriff auf die Rohstoffe. Moskau aber fehlt das Know-how für die effektive Ausbeute von Vorkommen in der Tiefsee. Neuere russische Bohrinseln sind kaum mehr als eine Weiterentwicklung jener Plattformen, die in den 60er Jahren für die Förderung in der Kaspi-See projektiert wurden. BP dagegen hat entsprechende Technologien. Und Rosneft das nötige Kleingeld.

Doch selbst, wenn alle Blütenträume reifen sollten: Zum Weltmarktführer der Branche langt die Allianz nicht. Die derzeitige Nummer eins - der nicht börsennotierte saudische Staatskonzern Aramco - wirft täglich locker das Doppelte auf den Markt.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 20. Oktober 2012

Lexikon

Rosneft ist der größte russische Mineralölkonzern. Es betreibt Förderanlagen in Sibirien, Südrussland und dem Fernen Osten sowie sieben große Raffinerien und mehrere Ölhäfen. Im Ausland ist man an Förderprojekten in Kasachstan und Algerien beteiligt, in Deutschland am Raffineriebetreiber Ruhr Oel. Rosneft mit Sitz in Moskau erzielte 2010 einen Umsatz in Höhe von 63 Milliarden Dollar und beschäftigte 150 000 Mitarbeiter. nd




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