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Russland sorgt für Verstimmung bei der OSZE

Zahl der Beobachter zur Präsidentenwahl am 2. März soll drastisch beschränkt werden

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Die OSZE-Beobachter, forderte KP-Chef Gennadi Sjuganow am Montag auf einer Pressekonferenz in Moskau, sollten »keine Zicken machen« und ihre Mission bei den Präsidentenwahlen trotz aller Probleme wahrnehmen.

Dass der sonst eher bedächtige Sjuganow, der am 2. März gegen Dmitri Medwedjew – den Kandidaten des Kremls – antritt, sich in die Umgangssprache verirrte, hat gute Gründe: Zuvor war die erste Runde von Verhandlungen zwischen einer OSZE-Delegation und Russlands Zentraler Wahlkommission ohne Ergebnisse zu Ende gegangen. Bei einer weiteren Runde, die in der Nacht stattfand, wurde der Durchbruch ebenfalls verfehlt. Obwohl Chefunterhändler Curtis Budden schon vor den Gesprächen gewarnt hatte, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) könnte, ähnlich wie bei den Dumawahlen Anfang Dezember, auch die Abstimmung über die Vergabe des Chefsessels im Kreml boykottieren, falls die russische Seite sich nicht bewegt.

Danach sieht es gegenwärtig nicht aus. Russlands Oberster Wahlleiter Wladimir Tschurow bezeichnete die Verhandlungen als »schwierig«. Sein gegenüber Budden warf Russland sogar vor, das Mandat der Organisation willkürlich zu interpretieren, und gab auf die Frage nach dem Verhandlungsverlauf »massive Unzufriedenheit« zu Protokoll. Wie schon bei den Dumawahlen will Russland die Anzahl der internationalen Beobachter auf insgesamt 400 begrenzen und dem OSZEBüro für demokratische Institutionen und Menschenrechte davon eine Quote von 70 zuteilen. Das ist in etwa siebenmal weniger als bei den Wahlen vor vier Jahren. Außerdem will Moskau die meisten Beobachter erst am 27. Februar und damit ganze vier Tage vor dem Votum einreisen lassen. Beschränkungen dieser Art verordnete in der über 30-jährigen Geschichte der Organisation, der inzwischen 56 Staaten – darunter die autoritär regierten ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens – angehören, bislang nur Turkmenistan.

Die OSZE-Statuten sehen weder quantitative noch qualitative Beschränkungen für Missionen von Wahlbeobachtern vor, es gibt allerdings auch kein vereinbartes Regelwerk. Emissäre der Organisation drängen Moskau schon seit Wochen, mehr und vor allem Langzeitbeobachter einreisen zu lassen. Ihre Forderungen begründen sie auch mit Erfahrungen von früheren Wahlen in Russland. Demzufolge waren die Abstimmungen selbst mehr oder minder frei, der Wahlkampf jedoch unfair. Sowohl die Kommunisten als auch die liberale Opposition beklagten sich jedes Mal über Behinderungen, vor allem über ungleiche Chancen ihrer Kandidaten im Fernsehen.

Ob eben diese Klagen und Beschwerden gerechtfertigt sind, so argumentiert die OSZE, können nur Langzeitbeobachter einschätzen. Die ersten sollten daher bereits diese Woche ihre Tätigkeit aufnehmen. Moskau indes sperrt sich und verweist darauf, welcher Staat in der Vergangenheit wie viele Beobachter zu welchem Zeitpunkt eingeladen hat. Und da sieht man sich durchaus »im Schnitt«. Letzte Woche sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabow, die OSZE sabotiere alle Vorschläge Moskaus, und meinte damit offenbar auch einen von Belarus und zentralasiatischen Staaten unterstützten Initiativantrag, den die Außenministerkonferenz Ende November in Madridabgeschmettert hatte. Damit wollte Russland durchsetzen, dass nichtstaatliche Organisationen nur noch an den OSZE-Tagungen teilnehmen dürfen, wenn der Staat, wo diese ihren Sitz haben, dem ausdrücklich zustimmt.

Das und der OSZE-Boykott der Dumawahlen haben beider Verhältnis schwer belastet. Russland trägt sich inzwischen sogar mit dem Gedanken, seinen Beitrag für den Haushalt der OSZE zu kürzen.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Februar 2008


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