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Moskau und Peking stärken Partnerschaft

Wirtschaftskooperation und Militärmanöver: Rußlands Präsident Putin zu Besuch in der Volksrepublik China *

Rußland und China bauen ihre strategische Partnerschaft aus. Die beiden Länder wollen nicht nur militärisch, sondern auch bei der Energieversorgung enger zusammenarbeiten. Zum Auftakt des zweitägigen Staatsbesuches von Präsident Wladimir Putin vereinbarten Rußland und China am Dienstag eine ganze Reihe gemeinsamer Projekte. So wollen beide Staaten ein Langstreckenflugzeug in Konkurrenz zu Airbus und Boeing entwickeln, ihre Eisenbahnsysteme besser aufeinander abstimmen und eine Brücke über den Grenzfluß Amur bauen. Das berichtete die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS.

Ein Durchbruch in den jahrelangen Verhandlungen über ein neues Gasabkommen ließ zunächst noch auf sich warten. Rußland zeigte sich jedoch optimistisch, daß eine Einigung kurz bevorsteht. Die Verhandlungen liefen ununterbrochen, sagte der Chef des russischen Staatsunternehmens Gasprom, Alexej Miller. »Der Vertrag kann auf einer für beide Seiten vorteilhaften Grundlage unterzeichnet werden.«

Nach einem Treffen mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping demonstrierten beide Seiten Geschlossenheit. In einer gemeinsamen Erklärung zeigten sich Rußland und China besorgt über die Lage in der Ukraine und forderten eine Deeskalation in dem Konflikt. Bei einem landesweiten Dialog solle ein Konzept für die Entwicklung einer Verfassung erarbeitet werden, forderten Peking und Moskau.

Gemeinsam nahmen Putin und Xi an einer Zeremonie zur Unterzeichnung von mehreren Dutzend Wirtschaftsabkommen aus den Bereichen Energie, Verkehr und Infrastruktur teil, wie Chinas Staatsfernsehen CCTV berichtete. Details wurden jedoch nicht genannt. Zudem eröffneten beide Staatsführer eine siebentägige Militärübung beider Länder im Ostchinesischen Meer. Sie verständigten sich darauf, 2015 ein nächstes gemeinsames Militärmanöver abzuhalten und es dem 70. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges zu widmen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 21. Mai 2014


Ein erster Schritt

Präsident Putin zu Besuch in Peking

Von Knut Mellenthin **


Rußland und China werden einige Zeit brauchen, um gemeinsame Interessen gegenüber dem Westen nicht nur zu definieren, sondern auch auszusprechen. Washington hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor Beginn seines zweitägigen China-Besuchs ein unerwartetes Geschenk gemacht: Das US-Justizministerium erhob am Montag Anklage gegen fünf Angehörige der chinesischen Streitkräfte wegen »Datendiebstahl« bei Wirtschaftsunternehmen. Es ist das erste Verfahren dieser Art, das in den USA eingeleitet wurde. Vor dem Hintergrund der ständigen Überwachung von Milliarden Telekommunikationen durch den US-Geheimdienst NSA ist das Vorgehen der Obama-Administration »extrem lächerlich«, wie ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte.

Eine bessere Regie hätte diese Provokation nicht ausgerechnet zu genau diesem Zeitpunkt plaziert, wo Putin sich in China Rückhalt für seine Strategie holen will, Bündnisse gegen den Anspruch der USA auf absolute »global leadership« aufzubauen. Aber den führenden Kreisen der USA scheint das miserable ­Timing völlig egal. Wie ihr Verhalten in anderen Teilen der Welt ankommt, ist ihnen traditionell nicht nur gleichgültig, sondern darüber hinaus auch unverständlich.

Rußland und China haben gemeinsame wirtschaftliche Interessen und Projekte. Ihr Handelsvolumen hat sich in den vergangenen fünf Jahren auf 90 Milliarden Dollar verdoppelt und wird auch künftig ein weit überdurchschnittliches Wachstum haben. Bis 2020 ist eine nochmalige Verdoppelung vorgesehen. Im Zentrum von Putins Besuch steht der Abschluß eines auf 30 Jahre zugeschnittenen Vertrags über die Lieferung von russischem Erdgas nach China. Die Menge entspricht einem Viertel des chinesischen Bedarfs und rund 75 Prozent der gegenwärtigen Importmenge Chinas.

Zwischen beiden Ländern bestehen dennoch große außenpolitische Unterschiede und Widersprüche. Das offizielle China verhält sich gegenüber dem russischen Vorgehen in der Ukraine bestenfalls neutral und still. Umgekehrt ist bis jetzt keinerlei Engagement Moskaus für die chinesischen Territorialansprüche im Pazifik oder auch nur für Chinas Politik gegenüber Taiwan festzustellen.Während Rußland inzwischen sehr lebhaft und offen an zahlreichen Brennpunkten des Weltgeschehens seine Positionen vertritt, geht Peking jedem verbalen Streit aus dem Weg, der China nicht unmittelbar oder in seiner nächsten Umgebung berührt. Während Rußlands Außenpolitik zunehmend der Tatsache Rechnung trägt, daß im Verhältnis zum Westen neben Elementen der Zusammenarbeit auch antagonistische Widersprüche bestehen, herrscht in der öffentlichen Selbstdarstellung Chinas immer noch der Wunsch nach globaler Harmonie und das Ersetzen realistischer Beschreibungen durch Weichspülphrasen vor.

Putins Besuch kann vor diesem Hintergrund nicht mehr sein als »der erste Schritt auf einem Weg von 10000 Li«, wie man in China sagt. Ein kämpferisches gemeinsames Kommuniqué sollte man sich jetzt nicht erwarten. Noch nicht.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 21. Mai 2014


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