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Putin dankt Westalliierten und Antifaschisten

Tausende ehren Sowjetsoldaten in Berlin / Russland feiert Tag des Sieges / Erinnerung an Befreiung Europas von Nazideutschland / Obama: "Das war die Generation, die ganz wörtlich die Welt gerettet hat" *


Update 14.25 Uhr: Zum größten Ehrenmal in der Hauptstadt, wo Tausende sowjetische Soldaten begraben sind, kamen nach Schätzungen der Polizei fast 10.000 Menschen. Darunter waren viele Russen und einige Veteranen. Sie schwenkten russische Fahnen. Einige trugen Bilder von Gefallenen. Vor den Gedenktafeln lagen bergeweise Blumen. Auch die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping und der frühere DDR-Ministerpräsident Hans Modrow gedachten am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow den Befreiern und legten einen Kranz nieder. Mit Blick auf die Spannungen zwischen dem Westen und Russland wegen der Krise in der Ostukraine sagte der Leiter des Deutsch-Russischen Forums, Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Rande des Gedenkens, »wir sind sehr gut beraten, Dinge voneinander zu trennen«. Russland habe im Zweiten Weltkrieg den höchsten Blutzoll zu verzeichnen gehabt. Er wünsche sich, dass die sowjetischen Opfer genauso Platz in der Erinnerung finden wie die Opfer des Holocausts, erklärte Platzeck.

Update 12.45 Uhr: Tausende Menschen haben am Samstag in Berlin an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren erinnert. Vor dem Sowjetischen Ehrenmal in Treptow legten sie Blumen und Kränze nieder. Darunter waren Botschafter verschiedener Länder, unter ihnen der russische Botschafter in Deutschland, Wladimir Grinin. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei wichtig, an das Kriegsende zu erinnern - »für uns und für alle«. Viele Menschen schwenkten russische Fahnen. Die Polizei sprach von rund 5000 Personen.

Update 12.30 Uhr: Kremlchef Wladimir Putin hat sich zum 70. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Hitlerdeutschland für ein weltweites Sicherheitssystem ohne militärische Blöcke ausgesprochen. Die Prinzipien der Nachkriegsordnung seien in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger verletzt worden, kritisierte der russische Präsident am Samstag in einer Rede auf dem Roten Platz in Moskau. Versuche, eine unipolare Welt zu schaffen, würden zunehmen. Nötig sei aber ein System, das gleiche Sicherheit für alle Staaten garantiere. »Nur dann werden wir Frieden und Ruhe auf dem Planeten gewährleisten«, betonte Putin. Er erinnerte an das historische Treffen von sowjetischen und US-Soldaten Ende April 1945 in der Elbe-Stadt Torgau. Diese Geschlossenheit und dieses Vertrauen gelte es zu hüten - zur Bewahrung der internationalen Sicherheit. Putin würdigte den »grandiosen Sieg« der Sowjetunion 1945. Mit der Erstürmung Berlins habe die Rote Armee dem Nazismus den Todesstoß versetzt. Alle Sowjetvölker hätten mit großem Heldenmut gekämpft. Der Kremlchef hob auch die Rolle der westlichen Alliierten in der Anti-Hitler-Koalition hervor. Das russische Volk sei Großbritannien, Frankreich und den USA dankbar. Auch den Antifaschisten in vielen Ländern, darunter im damaligen Deutschland, gebühre großer Respekt.

Update 12 Uhr: Bulgarien hat den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa gefeiert. Sozialisten und Antifaschisten legten zum 9. Mai am Denkmal der Roten Armee in Sofia Kränze und Blumen nieder. Im Zweiten Weltkrieg war das damalige Königreich Bulgarien mit Deutschland verbündet. Nach 1944 kämpften die bulgarischen Streitkräfte an der Seite der Roten Armee gegen Deutschland. »Unter den Ruinen des verheerendsten Krieges in der Menschengeschichte wurde das Streben nach Frieden und nach diesem Europa geboren, zu dem auch wir heute gehören«, sagte Staatschef Rossen Plewneliew am Samstag bei einem Festakt in der Militärakademie in Sofia. Es sei wichtig, auf die Lektionen der Geschichte zu hören und die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, betonte Plewneliew. Ebenso wie die Menschen in den Konzentrationslagern der Nazis umgekommen seien, hätten viele andere Menschen ihr Leben in den (sowjetischen) Gulags und in den Lagern des kommunistischen Regimes in Bulgarien verloren. Russland feiert Tag des Sieges

Einen Tag nach dem bereits in vielen Ländern an den Jahrestag der Befreiung gedacht wurde, haben in Russland die offiziellen Feiern zum 70. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Hitler und Nazideutschland begonnen. Mit Paraden und Trauermärschen erinnerten am Samstag zuerst die Regionen Kamtschatka und Sachalin im äußersten Osten des größten Landes der Erde an die Kriegsopfer von damals, wie Medien berichteten. Die größte Militärparade des Landes beginnt um 9 Uhr (10 Uhr Ortszeit) in Moskau. Mehr als 16.000 Soldaten sollen über den Roten Platz marschieren. Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt daran im Beisein von Staats- und Regierungschefs aus etwa 20 Ländern teil. Die Spitzen der EU sowie US-Präsident Barack Obama boykottieren aus Protest gegen Russlands Politik im Ukraine-Konflikt diesen wichtigsten Feiertag des Riesenreichs.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit Kremlchef Putin an diesem Sonntag in Moskau am Grabmal des Unbekannten Soldaten einen Kranz niederlegen. Die Sowjetunion hatte im Kampf gegen den Faschismus mit mehr als 27 Millionen Toten die größte Zahl der Opfer.

Bereits am Freitag hatten weltweit Staats- und Regierungschefs der Millionen Opfer gedacht und vor neuer Zwietracht in Europa gewarnt. In Großbritannien werden um 14 Uhr Ortszeit, dem Zeitpunkt, zu dem Premierminister Winston Churchill 1945 im Radio das Kriegsende verkündete, zwei Schweigeminuten eingelegt. US-Präsident Barack Obama sagte über die gefallenen alliierten Soldaten: »Das war die Generation, die ganz wörtlich die Welt gerettet hat.« Heute müssten die westlichen Verbündeten für gemeinsame Werte zusammenstehen - Freiheit, Sicherheit, Demokratie, Menschenrechte und die Herrschaft des Rechts. Zugleich gelte es, jeder Form von Hass eine Absage zu erteilen. Zum Gedenken an den Sieg der Alliierten überflogen am Freitag dutzende Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg die Innenstadt von Washington.

Der Kreml dankte in einer Mitteilung den Regierungen ehemaliger Sowjetrepubliken zum Sieg über Hitlerdeutschland, beschränkte sich bei der Ukraine und Georgien jedoch auf einen Gruß »an die Bürger« beider Länder.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte, der 8. Mai sei kein Sieg einer Nation über eine andere. »Es war der Sieg eines Ideals über eine totalitäre Ideologie.« Der Krieg in Europa und Asien kostete mehr als 55 Millionen Menschen das Leben, zum Großteil Zivilisten. Bei einer Gedenkfeier am Arc de Triomphe in Paris legte Hollande einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten nieder und warnte seine Landsleute, sich angesichts heutiger Kriege nicht in Selbstzufriedenheit zu ergehen. »Wir haben den Krieg nicht erlebt und betrachten ihn als entfernte und manchmal abstrakte Realität«, sagte Hollande.

Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski rückte das Schicksal Ostmitteleuropas und des Baltikums in den Fokus, die nach 1945 unter die Vormachtstellung der Sowjetunion gerieten. »Nicht allen hat das Ende des Krieges die Freiheit gegeben«, sagte er in der Nacht zum Freitag auf der Westerplatte bei Danzig (Gdansk). Wenn jetzt aller Opfer des Krieges gedacht werde, müsse daran erinnert werden, dass nationale Souveränität auch heute noch verletzt werde, sagte er mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine.

Mit etwa 27 Millionen Toten erlitt die Sowjetunion die größten Verluste. Zu den Opfern gehören auch rund sechs Millionen von den Nazis ermordete Juden.

Bundespräsident Gauck würdigte die getöteten Sowjetsoldaten, die Deutschland von der Nazi-Herrschaft befreit haben. »Ihr Schicksal mahnt uns, mit all unserer Kraft für Verständigung, Frieden und Versöhnung einzutreten.«

* Aus: neues deutschland (online), Samstag, 9. Mai 2015


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